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Jugendwahn contra Rente mit 67

14. Mai 2009

Familienministerin Ursula von der Leyen wirbt für gemischte Teams in Unternehmen. Doch mittelständische Unternehmen wollen lieber jüngere Belegschaften, obwohl die Gesellschaft altert.

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Ein älterer Mitarbeiter bei der Automontage der Firma Ford in Köln (Foto: dpa)
Ältere Menschen werden in Betrieben öfter als Kostenfaktor betrachtetBild: picture-alliance / dpa/dpaweb
Senioren auf einer Parkbank
Künftig sollen ältere Menschen länger arbeitenBild: Bilderbox

Die Regierung hat zwar längst die stufenweise Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre beschlossen. Doch nur die Hälfte der Mittelständler in Deutschland hält eine Beschäftigung ihrer Arbeitnehmer bis zu diesem Alter überhaupt für möglich. Das ergab eine von der Commerzbank in Auftrag gegebene Studie, für die über 4000 mittelständische Unternehmen befragt wurden. Die älteren Menschen würden in der Mehrzahl noch als Kostenfaktor betrachtet, sagte Familienministerin Ursula von der Leyen bei der Vorstellung der Studie in Berlin. Gründe dafür seien auch der Personalabbau in den letzten Jahren und die großzügigen Möglichkeiten des Vorruhestandes. "Das heißt, es fehlt heute der Mehrzahl der Unternehmen überhaupt die Erfahrung, was es heißt, ältere Beschäftigte im Betrieb zu haben", sagte die Ministerin.

Kaum Weiterbildung für Ältere

Nicht nur Großunternehmen, auch Mittelständler investieren kaum in die Qualifizierung älterer Mitarbeiter, sondern konzentrieren sich auf die Werbung junger Talente. Es dominiere der Wunsch nach immer weiterer Verjüngung der Belegschaft. Alterung und Rückgang der Bevölkerung würden zwar als gesellschaftlicher Trend wahrgenommen, doch die Konsequenzen für das eigene Unternehmen nur sehr einseitig, sagte Markus Beumer, Vorstandsmitglied der Commerzbank. "Die Chance des demographischen Wandels auf den Produkt- und Absatzmärkten, die wird durch neue Produkte und Dienstleistungen hervorragend genutzt. Aber auf dem Arbeitsmarkt sieht man die Notwendigkeit nicht, diese Herausforderung umzusetzen." So Beumer weiter.

Familienministerin Ursula von der Leyen (Foto: AP)
Familienministerin Ursula von der Leyen kritisiert den Jugenwahn in der deutschen WirtschaftBild: AP

Familienministerin von der Leyen als Schirmherrin der Studie betonte, Altern und Rückgang der Bevölkerung würden Deutschland nachhaltiger prägen als die derzeitige Wirtschaftskrise. Allein aus demographischen Gründen verliere die Bundesrepublik bereits jetzt jährlich bis zu 300 000 Erwerbsfähige. Der Mangel an Ingenieuren habe vergangenes Jahr einen wirtschaftlichen Verlust von über 7 Milliarden Euro verursacht. Im sozialen Dienstleistungssektor habe es im ersten Quartal dieses Jahres 20 Prozent mehr offene Stellen gegeben als im Vorjahr.

Wegen der Fachkräftenachfrage sei eine an den Kompetenzen der Älteren orientierte Betrachtung notwendig, sagte die CDU-Politikerin. Die Älteren könnten nicht immer das Gleiche wie die Jüngeren, aber sie hätten andere Kompetenzen und Erfahrungen, die ganz wichtig seien für ein Unternehmen. Die Studie zeige, dass die Älteren über ein größeres Fachwissen verfügten und dass sie sich stärker mit dem Unternehmen identifizierten, wenn sie sich gut behandelt fühlten. Sie hätten eine viel höhere Kundenorientierung und - am richtigen Platz eingesetzt - im Schnitt eine niedrigere Fehlerquote als die Jüngeren.

"An die Spitze des Wandels setzen"

Eine junge Frau sitzt mit einem älteren Herrn vor dem PC (Foto: dpa)
Gemischte Teams sind unschlagbarBild: picture-alliance/ dpa

Deutschland habe weltweit eine der am schnellsten alternden Gesellschaften, aber das berge auch eine Chance, so die Ministerin. Man könne sich an die Spitze setzen bei der Anpassung an diesen Wandel, der auch andere Länder betreffe. Die Weiterbildung Älterer müsse zur Normalität werden, bisher komme nur jeder fünfte Arbeitnehmer über 50 Jahre in den Genuß betrieblicher Weiterqualifizierung. Sie plädierte für die Bildung von gemischten Teams aus verschiedenen Altersgruppen in den Unternehmen. "Die Jüngeren rennen zwar schneller, aber die Älteren kennen die Abkürzung", sagte von der Leyen.

Auto: Bernd Gräßler
Redaktion: Zhang Danhong