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Überforderte Supermacht

12. März 2012

Ohne die USA geht nichts in der Weltpolitik. Aber ist die Supermacht noch voll handlungsfähig? Angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise hegen deutsche Amerika-Experten Zweifel.

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Dollarscheine (Foto: AP)
Bild: AP

Wären die USA ein Patient im Krankenhaus, dann würden die Ärzte sorgenvoll die Stirn runzeln: Die Schwäche der inneren Organe könnte chronisch werden und den Patienten dauerhaft ans Bett fesseln. Ähnliches droht der US-Regierung, fürchtet USA-Kenner Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Die anhaltende Finanz-, Wirtschafts- und Energiekrise setzen der Supermacht schwer zu.

Die USA sind zu einem Land der begrenzten Möglichkeiten geworden: Sie leiden unter einem immensen Schuldenberg, einer geschwächten Währung und wachsenden sozialen Gegensätzen. "Je weiter sich der Tanker USA zur Seite neigt, desto mehr wird die politische Manövrierfähigkeit der Regierung im Inneren wie nach außen eingeschränkt", schreibt der Politikwissenschaftler in seinem gerade erschienenen Buch "Der amerikanische Patient". Bramls Fazit: "Die politischen Gewalten sind blockiert, weil es nichts mehr zu verteilen gibt." Die wirtschaftliche Schwäche vertiefe die ideologischen Gräben zwischen Demokraten und Republikanern.

Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. Copyright: privat
Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige PolitikBild: privat

Turbulenzen mit globaler Wirkung

Für den Rest der Welt ist der von Braml beschriebene "drohende Kollaps der USA" alles andere als erfreulich. Wer ums wirtschaftliche Überleben kämpft, der nimmt nicht unbedingt Rücksicht auf andere. "In der Handelspolitik dürfen wir uns auf heftigen Protektionismus einstellen", prophezeit der USA-Kenner. Außerdem würden die USA "den Dollar billig machen", um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. "Der Dollar wird demnächst als Leitwährung ausgedient haben."

Der SPD-Politiker Karsten Voigt, auch er ein genauer Kenner der USA, ist da etwas optimistischer. Vom drohenden Kollaps der USA möchte er nicht sprechen, eher von einer Krise mit der Chance zum Neuanfang. Eine Stärke der Amerikaner sei ihre Fähigkeit, in Krisenzeiten anzupacken und auf die ungeheure Dynamik ihrer Wirtschaft zu bauen, meint Voigt, der lange Jahre Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanischen Beziehungen war.

Der SPD-Politiker Karsten Voigt (Bild: dpa)
Der SPD-Politiker Karsten VoigtBild: picture-alliance / dpa

Größere Lasten für die Verbündeten

Einig sind sich die beiden Spezialisten darin, dass sich die Rolle der USA als globale Ordnungsmacht verändern wird. Kein anderes Land der Welt hat soviel militärische Schlagkraft wie die USA, doch der Sparzwang zwingt die Regierung auch hier zu Einschnitten. Karsten Voigt ist überzeugt davon, dass die USA auf absehbare Zeit die wichtigste Weltmacht bleiben werden. Aber die Amerikaner könnten künftig weniger gestalten und müssten ihre Grenzen akzeptieren.

In der Sicherheitspolitik ist spätestens seit dem Libyen-Einsatz erkennbar, dass die Vereinigten Staaten mehr Lasten auf ihre Verbündeten abwälzen. "Wir Europäer werden zusehen müssen, dass wir die Sicherheit in unserer eigenen Nachbarschaft aufrechterhalten", meint Josef Braml. "Amerika wird uns hierbei nicht mehr so stark unterstützen. Aus US-Sicht sind wir schon viel zu lange Trittbrettfahrer."

Bundeskanzlerin Angela Merkel im Gespräch mit US-Präsident Barack Obama, Foto: AP
Die USA erwarten künftig mehr von ihren Partnern: US-Präsident Obama und Bundeskanzlerin MerkelBild: AP

Autorin: Nina Werkhäuser
Redaktion: Daniel Scheschkewitz