Die 16 Mannschaften
Alle Nationalteams bei der Fußball-Europameisterschaft 2004 in Portugal
Schweden - Die Abwehrkünstler
Die Schweden sind souverän durch die Qualifikationsspiele marschiert: Gerade einmal drei Gegentore musste das Team des Trainergespanns Tommy Söderberg und Lars Lagerbäck schlucken - an der erfahrenen Abwehr könnten sich bei der EM Schwedens Gegner die Zähne ausbeißen. Problematischer lief die Offensive, in der Ajax-Stürmer Zlatan Ibrahimovic oft auf sich alleine gestellt war, und man die Stürmer-Legende Henrik Larsson (Celtic Glasgow) schmerzlich vermisste. Wie gut für die Schweden, dass Larsson seinen Rücktritt vom Rücktritt bekannt gab und folglich dabei sein wird. Mit der stabilen Defensive und dem Offensiv-Trio Ibrahimovic, Larsson und Freddie Ljungberg (Arsenal) sind die Schweden jedenfalls schwer einzuschätzen - und geben einen durchaus tauglichen Geheim-Tipp ab.
Deutschland - Die Papier-Favoriten
Kein Team hat öfter das Finale der Europameisterschaften erreicht - immerhin fünf von zehn Mal. Drei Mal reichte es zum Titel. Auch dies ein Rekord. Doch allgemein wird Deutschland nicht zu den Favoriten für die EM 2004 gezählt. Gegen die großen europäischen Teams Spanien, Frankreich, Niederlande und Italien setzte es in den letzten Jahren nur Niederlagen. Die Qualifikation gestaltete sich auch gegen Gegner wie die Faröer-Inseln schwierig und viele Leistungsträger scheinen in einem Formloch festzusitzen. Gut möglich, dass sich das Team von Rudi Völler frühzeitig nach den Gruppenspielen verabschiedet - wenn sich die Gegner nicht doch noch von der imposanten Bilanz Deutschlands beeindrucken lassen.
Tschechische Republik - Nicht wirklich geheim
Die Tschechen gehen mit gesundem Selbstbewusstsein in das Turnier: Man glaubt, über die beste tschechische Mannschaft aller Zeiten zu verfügen - besser noch als die EM-Sieger 1976 und die von Deutschland geschlagenen Finalisten von 1996. Von denen sind noch Karel Poborsky, Vladimir Smicer und vor allem Europas Fußballer des Jahres, Pavel Nedved dabei. Ergänzt um die Jüngeren mit Milan Baros (Liverpool) und den Dortmundern Jan Koller und Thomas Rosicky haben die Tscheschen tatsächlich ein harmonisches Team geschaffen, dass lange als Geheimfavorit gehandelt wurde. Inzwischen kann von geheim aber keine Rede mehr sein: Die Tschechen zählen zu den vier Topfavoriten.
Spanien - Das alte Lied
Wie immer bei den letzten großen Turnieren zählt Spanien auch bei der EM zu den Favoriten. Die Stars aus der wohl momentan stärksten Liga der Welt wie Raúl, Guti, oder Barraja, dazu ein Fernando Morientes, in der zuletzt gezeigten Topform, sollten eigentlich in der Gruppenphase keine Probleme haben - wenn, ja wenn, die "Selleccion" nicht wieder in den entscheidenden Momenten auseinander bricht. Sollte dies erstmals nicht passieren, ist den Spaniern alles zuzutrauen.
Niederlande - Die streitsüchtigen Superstars
Das "Oranje-Team" kann sicher den schönsten Fußball von allen spielen - wenn sie ihn miteinander spielen wollen. Die Holländer können vielleicht die meisten Superstars aufbieten - aber eben auch die meisten Primadonnen. Durch Selbstzerfleischung brachten sich die Holländer nun schon des öfteren um Erfolge - wie etwa bei der bekanntlich verpassten Qualifikation für die WM 2002. Wenn sich die die Niederlande aber zusammenreissen und die Topspieler aus den Topligen Europas sich entschließen, ihre absoluten Topstürmer Kluivert, Van Nistelrooy, Makaay oder Van Hooijdonk zu bedienen, dürfte "Oranje" auf dem Weg ins Finale kaum zu stoppen sein.
Frankreich - Die Meister
Vergessen Sie den verheerenden Eindruck, den Frankreich bei der WM 2002 hinterlassen hat: Der Titelverteidiger hat seine Qualifikationsgruppe ungeschlagen dominiert - Frankreich hat wieder zur alten Leistungsstärke gefunden, welche die Equipe Tricolore in den letzten Jahren zum Maß aller Dinge gemacht hat. Mannschaftlich und individuell überragend kann die Mannschaft um Zidane fast jeden Gegner auseinandernehmen - oder bringt bei einem knappen Spiel die Geduld auf, um auf die eigene Chance zu warten. Kurz: Frankreich ist der absolute Topfavorit.
Portugal - Die letzte Chance der "Goldenen Generation"
Schon öfter prognostizierte man der "Goldenen Generation" um Figo und Rúi Costa einen großen Titel - und immer kamen sie von großen Turnieren mit leeren Händen zurück. Bei der WM 2002 war schon nach der Vorrunde Schluss, bei der EM 2000 gab es das Aus im Halbfinale. Diesmal soll es nun sein, der Auftrag an den brasilianischen Weltmeister-Trainer Felipe Scolari heißt schlicht: Titelgewinn. Scolari kann dabei neben den Erfahrenen der "Goldenen Generation" auf neue Gesichter setzen. Zum Beispiel auf den "anderen Ronaldo", Christiano Ronaldo, der bei Manchester United mit seinen Hochgeschwindigkeits-Dribblings für Furore sorgte. Aber nur wenn es Scolari gelingt, die Eifersüchteleien und die Disziplinprobleme in den Griff zu bekommmen und die Mannschaft dem hohen Erwartungsdruck standhält, könnte es möglich sein: dass die "Goldene Generation" sich ihren goldenen Abschluss verschafft.
Dänemark - Die Exportierer
Dänemark exportiert en masse Spieler nach Europa und bezahlt dies mit einer finanziell darbenden nationalen Liga. Bei der EM 2000 schied Dänemark schon in der Vorrunde aus, doch diesmal wollen die Spieler aus der englischen Premier-League, der italienischen Seria A und der spanischen Primera Division wieder den berühmten "Danish Dynamite" anrühren. An einem guten Tag können die Dänen sicher so ziemlich jeden schlagen, doch wieviele solcher Tage wird es geben? Schon in der Vorrunde bräuchten sie gegen Italien und Schweden mindestens zwei davon...
Russland - Der umstrittenste Teilnehmer
Die Russen hatten sehr viel Glück auf dem Weg zur EM. Es gelang ihnen zwar in der Qualifikationsgruppe, die stärker eingeschätzten Iren hinter sich zu lassen, mussten sich hinter der Schweiz aber mit Platz zwei genügen. Die fälligen Relegationsspiele gegen Wales konnten die Russen dann knapp für sich entscheiden - jedoch mit einem gedopten Spieler. Die Waliser klagten und die russische Teilnahme hing bis zuletzt am seidenen Faden - ehe die UEFA mit einem umstrittenden Urteil pro Russland entschied. Offensiv sind die Russen akzeptabel besetzt, defensiv werden der Mannschaft von Trainer Georgi Yartsev Probleme nachgesagt - auch im Tor.
Griechenland - Gebremste Euphoriker
Otto Rehagel wurde 2003 von einem Notkandidaten auf dem griechischen Trainerposten zum Nationalhelden. Nach den beiden ersten verlorenen Qualifikationsspielen impfte der deutsche Trainerfuchs den Griechen Disziplin ein. Die Hellenen verloren danach keines der nächsten 15 Spiele und qualifizierten sich erstmals seit 1980 für ein wichtiges Turnier. Die allgemein grassierende Euphorie wurde zwar durch ein deutliches 0:4 in Holland gebremst, doch nach wie vor erwarten die Griechen Wunderdinge von ihrem Team in Portugal. Rehagel wird besser wissen, dass für die Griechen dabein sein wahrscheinlich alles sein wird - falls es beim Eröffnungsspiel gegen den Gastgeber nicht eine faustdicke Überraschung gibt.
England - Viel Hoffnung
Seit fast 40 Jahren haben die Engländer nichts gewonnen, doch die Fans denken bei jedem Turnier, dass die Mannschaft mit den drei Löwen auf der Brust nun mal dran wäre. Auf dem Papier können die Engländer auch wirklich ein beeindruckendes Team aufbieten. Von der Insel wird zudem von einem neuen Geist berichtet, verkörpert vom gereiften David Beckham. Ob dies den langen vermissten Killer-Instinkt in den wirklich wichtigen Spielen bringt? Ganz sicher leidet England unter Verletzungspech, einer wackligen Abwehr und wird von der wohl ungnädigsten Boulevard-Presse aller Teilnehmer gegängelt - Vielleicht ein bisschen zuviel Leid, um zu den Favoriten zu zählen.
Italien - Klassisch stark
Giovanni Trapattonis Mannschaft ist vor der EM schwer einzuschätzen. Das italienische Team um die Superstars Totti und Vieri ist individuell stark genug besetzt, um um den Titel mitzuspielen, es gibt aber wieder Diskussionen um das straffe Defensiv-Korsett, in das Trainer-Maestro Trapattoni seine Mannschaft presst. Nach der insgesamt souveränen Qualifiaktion, gewann der Finalist der letzten EM in Freundschaftsspielen zwar unter anderem in Portugal und zuletzt beim amtierenden Afrikameister Tunesien, in Polen setzte es aber eine peinliche 1:3-Niederlage. Der wahre Leistungsstand der Italiener ist so schwer vorherzusagen. Die Gruppenphase ist für die Italiener sicher zu machen - und danach ist nur sicher, dass sich kein Team wünscht, den italienischen Defensivkünstlern zugelost zu werden - auch wenn die Squadra Azzura auf den gefürchteten Stürmer Filippo Inzaghi wegen Verletzung verzichten muss.
Schweiz - Die wehrhaften Kleinen
Die Schweiz leidet unter dem Problem fast aller kleinen Länder: Die Leistungsunterschiede in der nationalen Liga sind einfach zu groß, die Stars spielen fast alle im Ausland, die meisten davon in der deutschen Bundesliga. Aber durch eine hervorragende Jugendarbeit und die neu entfachte Begeisterung um den FC Basel ist die Schweiz ein Fußballland im Aufbruch. Die Qualifikation für die EM war insofern auch nicht die ganz große Überraschung. Die Mannschaft um die Yakin-Brüder und den alternden Torjäger Stephane Chapuisat (35) wird ganz sicher ein unangenehmer Gegner - aber wahrscheinlich trotzdem nach den drei Gruppenspielen ehrenhaft nach Hause fahren.
Kroatien - Die Generation danach
Die legendäre Mannschaft von 1998, die WM-Dritter wurde, ist langsam nur noch Erinnerung. Die Kroaten befinden sich im Umbruch. Noch fehlt Trainer Otto Baric die richtige Mischung, um die große Enttäuschung der WM 2002 vergessen zu machen. Ihm fehlt allerdings das überzeugende Spielermaterial, so setzt er unter anderem noch auf Niko Kovac - der zuletzt bei Hertha BSC Berlins Reserveteam in der vierten Liga spielte. Kroatien wird sicher noch ein paar Jahre brauchen, bevor wieder ernsthaft mit dem Gedanken gespielt werden kann, in einem großen Turnier weit zu kommen.
Lettland - Das Sensationsteam
Alleine, dass die Letten beim Turnier der 16 besten Mannschaften dabei sind, kann als einer der größten Sensationen der jüngeren europäischen Fußballgeschichte gelten. Denn dass die Letten in den Relegationsspielen mit der Türkei den aktuellen Weltmeisterschaftsdritten eleminieren würden, damit hatte nun wirklich niemand gerechnet - am wenigsten die Türken selbst. Die Arroganz des Gegners war in diesen Spielen sicherlich der größte Trumpf der mannschaftlich geschlossen Letten. Wenn sich die Gruppengegner Tschechien, Holland und Deutschland aber zusammenreißen, dürften die Letten aber kaum eine Chance haben.
Bulgarien - Lernen auf der großen Bühne
Auch Bulgarien ist ein Land, dass mit dem Generationswechsel seine Probleme hatte: Es dauerte einige Jahre, bis sich Jüngere aus dem riesigen Schatten der Stoichkows, Balakows, Kostadinows und Iwanows gespielt hatten. Der Absturz in der FIFA-Rangliste war die Folge. In der Qualifikation zur EM ließ die neue Generation um die Bundesliga-Profis Martin Petrow, Marian Hristow und den hoch veranlagten Dimitar Berbatow aber immerhin Belgien hinter sich - und Bulgarien kann seine Lernkurve nun auf der ganz großen Bühne weiter nach oben wachsen lassen.