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Alles nur Ablenkung?

Steffen Leidel 12. Februar 2008

Venezuelas Präsident Chávez droht erneut mit Enteignungen ausländischer Konzerne und einem Ölembargo gegen die USA. Politische Beobachter sehen darin den Versuch, von innenpolitischen Problemen abzulenken.

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Hugo Chávez präsentiert seine Sendung 'Alo Presidente' (Quelle: dpa)
Hugo Chávez: Die Exxon-Chefs sind 'Banditen'Bild: Picture-Alliance /dpa

Vom venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez sind wieder aggressive Töne zu hören. Der größte Ölkonzern der Welt, Exxon Mobil, führe einen Wirtschaftskrieg gegen sein Land, polterte er jüngst in seiner wöchentlichen Radio- und TV-Sendung "Aló Presidente". Der Grund für die Missstimmung: Ende vergangener Woche hatte Exxon vor internationalen Gerichten das Einfrieren venezolanischen Vermögens in Höhe von 12,3 Milliarden erwirkt.

Der Streit zwischen Venezuela und dem Öl-Multi geht zurück bis ins Frühjahr 2007. Damals zwang die Chávez Regierung die ausländischen Ölfirmen, mindestens 60 Prozent ihres Geschäfts im Gürtel des Orinoko-Flusses an den staatlichen Ölkonzern PdVSA zu übertragen. Fast alle Firmen akzeptierten zähneknirschend, bis auf die US-Konzerne ConocoPhillips und Exxon. Exxon fordert Entschädigung für die Nationalisierung und erreichte nun mit dem Einfrieren der ausländischen Vermögenswerte von PdVSA einen ersten Erfolg.

Chávez beschimpft Ölmanager

Das sei vor allem ein politischer Schlag für Chávez, meint Günther Maihold von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. "Es wird versucht nationale Identität zu verteidigen." Finanziell gerate der Konzern dadurch nicht in die Bredouille. "Die laufenden Einnahmen von PdVSA sind hoch genug um einen entsprechenden Ausgleich zu schaffen."

Am Dienstag (12.02.2008) stoppte PdVSA wegen der "wirtschaftsrechtlichen Schikanen" den Verkauf von Erdöl an Exxon. Chávez beschimpfte die Exxon-Chefs als Banditen, drohte, den USA keinen Tropfen Erdöl mehr zu liefern, sollte der Konzern auf seinen Forderungen bestehen. Ein Ölembargo gegen die USA ist aber laut Maihold so gut wie ausgeschlossen. 80 Prozent der venezolanischen Erdölexporte gehen in die USA. "Zudem stehen 60 Prozent der Raffineriekapazitäten in den USA. Venezuela ist gar nicht in der Lage, nicht raffiniertes Öl auf dem Weltmarkt anzubieten. Chávez sind die Hände gebunden", betont Maihold.

Zerzauster Goldesel

Chávez braucht das Geld aus dem Erdölgeschäft vor allem zur Finanzierung seiner milliardenschweren Sozialprogramme. Das Unternehmen ist quasi sein Goldesel, der jedoch etwas zerzaust ist. "Der Staat finanziert seine Staatsprogramme, seine Petrodiplomatie weltweit aus den Einnahmen von PdVSA. Das bedeutet, dass für Investitionen wenig Mittel zur Verfügung stehen", so Mailhold.

Die Erdölproduktion in Venezuela ist in den vergangenen Jahren stetig zurückgegangen. Es fehlen Großinvestitionen, um Raffineriekapazitäten aufzubauen. Es fehlt auch an Kapital, um den Orinoko-Gürtel zu erschließen. Dort sollen die weltweit größten Erdölreserven lagern. Allerdings handelt es sich dabei um Schweröl, das nur mit großem Aufwand förderbar ist. Außerdem fehlt es an Infrastruktur. Der Orinoko ist nicht schiffbar, so dass neue Pipelines gebaut werden müssen, um das schwarze Gold zu transportieren. "Gegenwärtig ist eine Ausbeutung der Vorkommen nicht denkbar. Es geht vor allem darum, gesicherte Informationen über realen Vorkommen zu gewinnen.

Chávez wettert gegen Nestle und Parmalat

Noch ist keine Lösung im Streit mit Exxon in Sicht. Chávez hat sich inzwischen auch mit anderen ausländischen Konzernen angelegt. Er drohte der italienischen Parmalat-Gruppe und dem Schweizer Nestle-Konzern mit Enteignungen. Er machte sie für die andauernde Lebensmittelknappheit mitverantwortlich. Heimische Bauer würden von den Konzernen unter Druck gesetzt, ihre Milch zu exportieren. Politische Beobachter sehen in dem Vorwurf jedoch lediglich den Versuch von Chávez, von innenpolitischen Problemen abzulenken.