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"Die Amerikaner möchten deutlich machen, dass Deutschland so rein nicht ist!"

Das Interview führte Lenz Hörburger12. Januar 2006

Die ARD und die SZ stellen die alte Bundesregierung an den Pranger: Der BND soll an US-Geheimoperationen im Irak teilgenommen haben. Zu den Vorwürfen äußert sich Erich Schmidt-Eenboom.

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Half BND mit im Irak?Bild: dpa

DW-World: Die ARD und die Süddeutsche Zeitung haben berichtet, dass zwei BND-Agenten 2003 den amerikanischen Militärgeheimdienst bei der Identifizierung von Bombenzielen geholfen haben sollen – auch um Saddam Hussein zu treffen. Was halten Sie von den Vorwürfen?

Erich Schmidt-Eenboom: Sie sind zum Teil berechtigt. Der Bundesnachrichtendienst hat sicherlich auch bei politischen Spannungen zwischen Washington und Berlin in Zeiten des Irak-Krieges seine Partnerdienstbeziehungen zur Defence Intelligence Agency (DIA) aufrechterhalten. Er hat das sicherlich auch getan mit Rückendeckung des Kanzleramtes. Dabei sind offensichtlich die sehr ortskundigen BND-Mitarbeiter Strukturinformationen nachgegangen und haben Informationen gesammelt über zu schonende Ziele, meines Erachtens auch über lohnende Ziele. Was man ihnen jedoch nicht vorwerfen kann, ist in der Funktion von Leitoffizieren praktisch zur Echtzeitaufklärung so beigetragen zu haben, dass aufgrund ihrer Meldungen unmittelbar amerikanische Bombenangriffe erfolgt sind.

Gehört es denn zu den normalen Vorgängen, dass BND-Mitarbeiter nach Räumung der deutschen Botschaft ihre Arbeit während des Irak-Krieges fortgesetzt haben?

Bundesnachrichtendienst in Pullach
Pullach bekam Rückendeckung aus BerlinBild: dpa - Bildfunk

Der Bundesnachrichtendienst ist seit Anfang der 1980er Jahre in Bagdad sehr präsent gewesen, er hatte eine große und wichtige Residentur. Und natürlich war der Informationsbedarf der Bundesregierung in Zeiten des Spannungszeitraums vor dem Krieg und im Krieg selbst außerordentlich groß und da gehört es zu den Kernaufgaben eines Auslandsnachrichtendienstes Informationen vor Ort zu sammeln.

Wie weit ging die Zusammenarbeit auf geheimdienstlicher Ebene während des Irak-Krieges wirklich? Und wie viel wusste man im Kanzleramt Schröder?

Der Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Herr Steinmeier, ist mit Sicherheit über Umfang und Ausmaß der Kooperation unterrichtet worden und ist bei einem Informationsaustausch auf der normalen Arbeitsebene, der an ausgesprochen strenge Regularien gebunden war, unterrichtet worden. Die BND-Mitarbeiter hatten keineswegs direkt und persönlich Funk- oder Fax-Kontakt mit amerikanischen Militärdienststellen, sondern es ging den gewöhnlichen Meldeweg immer unter Einbindung der Pullacher Zentrale.

Frank Walter Steinmeier warnt Iran Schloss Genshagen
Was wusste Steinmeier?Bild: AP

Die rot-grüne Regierung hatte durch die Ablehnung des Irak-Krieges große Anerkennung in der arabischen Welt bekommen. Hat Deutschland nun seine Glaubwürdigkeit in der arabischen Welt verloren?

Zum Teil, denn ich denke, dass ist eine der Stoßrichtungen dieser Publikationen. Wir erleben zur Zeit so etwas wie eine psychologische Kriegsführung der amerikanischen Nachrichtendienste gegen die alte rot-grüne Bundesregierung, zum Teil auch gegen die neue Regierung seit Frau Merkel die Schließung von Guantanamo-Bay einfordert. Die Amerikaner möchten deutlich machen, auch gerade angesichts ihres schlechten Ansehens nach der CIA-Folteraffäre, dass Deutschland so rein nicht ist, sondern im amerikanischen Krieg gegen den Irak intensiver beteiligt war, als diese Regierung ihr vorher einräumen wollte.

Ist damit zu rechnen, dass Deutschland aufgrund dieser Vorwürfe Ziel islamistischer Terroristen wird?

Das glaube ich nicht, weil die islamistischen Terroristen, insbesondere die Gruppierungen im Irak, andere Schwerpunktziele haben: Das bleiben die unmittelbaren Besatzungsmächte. Ich gehe eher davon aus, dass die wachsende Militanz in Afghanistan nach Deutschland überschwappen könnte und da ein neues Bedrohungsszenario gerade im Um- und Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft mit sich bringen könnte.

In welchem Umfang?

Das ist schwer absehbar. Wir erleben in Afghanistan, aber auch in Bosnien, eine Radikalisierung von Jugendlichen, wir erleben eine Professionalisierung von Terroristen, und irgendwann kommt der Zeitpunkt wo diese Terroristen den Terror nicht mehr nur gegen deutsche Truppen dort entfalten, sondern dass die eben ins Mutterland, ins Entsendeland, nämlich in die Bundesrepublik Deutschland selber vorstoßen. In welcher Intensität und zu welchen Zeitpunkt das geschieht, das ist noch nicht absehbar.

Erich Schmidt-Eenboom ist Vorsitzender des Forschungsinstitutes für Friedenspolitik e.V.