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Die Angst der Sicherheitspolitiker voreinander

Alexander Kudascheff, Brüssel17. März 2004

Ganz Europa ist erschüttert. Die Schockwellen des Terrors von Madrid haben die Hauptstädte erreicht - auch Brüssel. Dennoch ist zweifelhaft, ob dieser Schock zu mehr Miteinander in der Sicherheitspolitik führen wird.

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Überall in Brüssel fragt man nach den Ursachen des Terrors. Überall sucht man nach den Motiven und den Beweggründen islamischer Fundamentalisten. Und überall ahnt man - selbst wenn man sich in Sicherheit wiegen will - dass Madrid überall ist.

Es mag ein Schlag gegen Aznar, den compagnon de route im Irakkrieg von Bush gewesen sein, es mag ein Terrorschlag in der Endphase des spanischen Wahlkampfs gewesen sein, es mag auch ein Angriff auf Spanien als Land an der Schnittstelle zwischen Orient und Okzident gewesen sein - aber vorgebliche Rechtfertigungen für Terror gibt es immer. Und deswegen ahnen und fühlen alle: der Terror ist nach Europa gekommen. Die Europäer werden sich nicht mehr sicher fühlen können. Die 200 Toten von Madrid sind wahrscheinlich nur der Anfang islamischen Terrors auf dem alten Kontinent.

Ist Schutz möglich?

Doch wie sich schützen, das fragen sich jetzt alle - und befürchten, dass es wirklichen, wirksamen Schutz wohl nicht endgültig geben wird. Denn: die Zusammenarbeit der europäischen Innenminister, die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste - sie steht nur auf dem Papier. Sie wird zwar vollmundig seit einem Gipfel im finnischen Tampere 1999 beschworen - doch sie ist das Papier nicht wert, auf dem sie besiegelt wurde. Und selbstverständlich werden sich demnächst die Innenminister und auch die Außenminister treffen. Sie alle werden beschwören, wie wichtig, wie unersetzbar die Zusammenarbeit in der Innen- und Sicherheitspolitik der EU sei - doch Wirklichkeit wird sie deswegen nicht. Die Sicherheit gegen den Terror, die Zusammenarbeit der Dienste, der Abgleich aller Daten - all das gibt es nicht. Und deswegen ist die EU anfällig für Terror.

Vielleicht aber gibt sich die EU jetzt einen Ruck - und macht ernst mit einer gemeinsamen europäischen Anti-Terrorpolitik. Die Toten von Madrid mahnen sie jedenfalls an. Nur mit Gedenkminuten allein ist der Kampf gegen den Terror nicht zu gewinnen.

Rolle der Muslime

Und es ist auch nach der Rolle der friedfertigen Muslime in Europa zu fragen? Wo ist ihr Protest, ihr Aufschrei gegen den mörderischen Terrorismus? Wo ist ihr Abwehrkampf auch in den eigenen Reihen gegen das stillschweigende Dulden, das Wegschauen, die vielleicht sogar klammheimliche Sympathie in den Moscheen? Wo sind die sozialen Programme für Aussteiger aus dem Terrorsumpf? Das alles kann nicht die EU leisten. Das können auch nicht die Mitgliedsstaaten leisten? Das muss aus der Mitte der islamischen Zivilgesellschaft in Europa kommen. Und wenn man ganz ehrlich ist: wo ist der Protest islamischer Gelehrter gegen den Terror in Kairo wie in Damaskus? Warum wird der Al Kaida nicht entgegengetreten? Damit wird doch der Eindruck erweckt, man sympathisiere mit Bin Laden und Zawahiri.

Vielleicht sollte die EU auch einmal die Gelegenheit nutzen, auf einem Treffen mit der islamischen Welt, die einmal im Jahr stattfindet, endlich Tacheles zu reden - und nicht nur Worthülsen zu produzieren. Doch so richtig glaubt man in Brüssel nicht daran, dass die EU sich dazu aufrafft - im Inneren wie im Äußeren.