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Die Angst vor dem "Renegade"-Fall

Sven Pöhle25. Juni 2014

Ein Routine-Training der Luftwaffe über dem Sauerland endete tödlich. Die Bundeswehr führt regelmäßig Übungen im deutschen Luftraum durch. Auch, um für den Ernstfall gewappnet zu sein.

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Eurofighter bei einer Übung (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Spätestens seit den Anschlägen vom 11. September 2001 ist es ein Horror-Szenario: Terroristen kapern ein Flugzeug und nutzen es als Waffe gegen Ziele am Boden. "Renegade" (Abtrünniger) lautet der englische Ausdruck für derartige Flugzeuge. Bundeswehr-Piloten trainieren mehrmals wöchentlich im deutschen Luftraum - auch den Umgang mit Flugzeugen, die im Verdacht stehen, in der Gewalt von Terroristen zu sein und für einen Angriff verwendet zu werden.

Eine Übung mit Elementen eines solchen Szenarios hatte die Luftwaffe am Montagnachmittag (23.06.2014) über dem Sauerland durchgeführt - mit tödlichem Ausgang. Ein Learjet der Gesellschaft für Flugzieldarstellung (GFD) kollidierte mit einem Eurofighter der Bundeswehr und stürzte über unbewohntem Gebiet bei Olsberg ab. Mindestens einer der beiden Insassen kam ums Leben, der andere wurde noch nicht gefunden. Der Eurofighter landete sicher - das Flugzeug wurde allerdings stark beschädigt.

Ein Mitarbeiter eines Abschleppdienstes befestigt ein Wrackteil (Foto: Marcel Kusch/dpa)
Unfallursache unklar: Wrackteile des abgestürzten Learjets im SauerlandBild: picture-alliance/dpa

Flieger in Alarmbereitschaft

Die Luftwaffe fliege mehrmals wöchentlich Übungen über Deutschland, sagt Luftwaffensprecher Hauptmann André Hesse. "Die Piloten üben für den scharfen Einsatz. Das bedeutet, dass die Luftwaffe 24 Stunden, 365 Tage im Jahr eine sogenannte Alarmrotte (zwei bis drei Jagdflugzeuge oder Abfangjäger, Anm. d. Red.) bereithält", sagt Hesse. Diese trage zur Sicherung des deutschen Luftraums bei. "Wenn wir alarmiert werden, müssen wir binnen 15 Minuten in der Luft sein. Das muss geübt werden."

Dazu gehören auch Szenarien mit gecharterten Flugzeugen. Für die Übungen werden regelmäßig Teile des deutschen Luftraums für eine bestimmte Zeit gesperrt. Insgesamt neun der im Fachjargon "Temporary Reserved Air Spaces" (zeitlich begrenzt reservierte Lufträume) genannten Übungsräume nutzt die Luftwaffe. Diese nehmen rund 21 Prozent der gesamten Fläche über Deutschland ein. Mindesthöhen gibt es für die Manöver nicht, sie finden nach Angaben der Luftwaffe in der Regel aber in einer Höhe zwischen 3000 und 9000 Metern statt.

Üben für den Ernstfall

"Es gibt Flugmanöver, mit denen Flugzeuge zur Landung gezwungen werden können", sagt Hesse. Die Bedrohung durch Terroristen ist allerdings der Extremfall. In der Praxis komme es beispielsweise vor, dass zivile Maschinen im deutschen Luftraum keinen Kontakt mehr zur deutschen Flugsicherung haben. Sollte dieser innerhalb einer bestimmten Zeit nicht hergestellt werden können, werden die deutschen Kampfflieger in Alarmbereitschaft versetzt. "In den meisten Fällen ist es so, dass die Piloten der Zivilmaschine vergessen haben, die Frequenzen umzustellen", so Hesse. Die Bundeswehrpiloten geben den Piloten der Zivilmaschine dann Signale - beispielsweise Handzeichen - die durch internationale Standards geregelt sind. Bei Notfällen - wenn Flugzeuge beschädigt sind oder vom Kurs abkommen - eskortieren die Kampfflugzeuge die zivilen Maschinen und unterstützen sie bei der Landung.

Hundeführer Ulrich Hitzemann mit Leichenspürhund (Foto: Jörg Taron/dpa)
Im Sauerland sucht ein Hundeführer nach den Insassen des LearjetsBild: picture-alliance/dpa

Bei der Übung über dem Sauerland hatte der Learjet beispielsweise eine Störung simuliert. Ziel der Übung war die Identifizierung und die visuelle Kontaktaufnahme mit dem Learjet durch zwei Eurofighter des taktischen Luftwaffengeschwaders 31 "Boelcke" sowie die anschließende sichere Führung zu einem Landeplatz. Die Übung sah vor, dass sich der Pilot kooperativ verhält.

Dass bei den Übungen der Bundeswehr auch zivile Maschinen zum Einsatz kommen, ist durchaus üblich. Aus Kostengründen und weil die Bundeswehr keine kleinen Flugzeuge im eigenen Bestand hat, chartert sie zivile Maschinen bei der Gesellschaft für Flugzieldarstellung (GFD). Das Tochterunternehmen der Airbus Defence and Space übernimmt auch für Heer und Marine regelmäßig Übungsaufgaben.

Absturzursache ungeklärt - Ermittlungen laufen

Da mit dem Learjet eine zivile Maschine an dem Unfall beteiligt war, kümmert sich die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen in Braunschweig um die Aufklärung des Zwischenfalls. Die Staatsanwaltschaft in Arnsberg im Sauerland ermittelt nach dem Absturz wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung gegen die Bundeswehrpiloten. Der Flugdatenschreiber und der Cockpit Voice Recorder des Learjets werden dazu ausgewertet. Sollte ein technisches Problem Ursache für den Absturz sein, könnten sich die Ermittlungen auch gegen Bodenpersonal richten.

Einstellen wird die Luftwaffe die regelmäßigen Übungen wegen des Zwischenfalls vorerst nicht, sagt Hauptmann Hesse. Bevor man mögliche Konsequenzen aus dem Unfall ziehe, werde man die Ergebnisse der Unfalluntersuchungen abwarten. Bis dahin übt man weiter für den Ernstfall.