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Nach dem Eklat

22. April 2009

Mit der Annahme des Abschlussdokuments kann bei der UN-Anti-Rassismus-Konferenz in Genf endlich über das eigentliche Thema geredet werden: den Kampf gegen Rassismuss, meint Ulrike Mast-Kirschning.

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Bild: DW

Der iranische Staatspräsident Mahmud Achmadinedschad hat dem Anliegen der Vereinten Nationen im Kampf gegen Rassismus zweifellos geschadet. Mit der Annahme des konsensfähigen Abschlussdokumentes haben jedoch alle Staaten jetzt wieder die Verpflichtung, über die Sache zu reden und auch zu handeln. Die Anti-Rassismus-Konferenz in Genf jedenfalls ist auf dem richtigen Weg.

Das Treffen hatte seinen vorab befürchteten Skandal - und weltweit protestierten Politiker gegen die inakzeptable Rede des iranischen Staatsoberhaupts. Gut so. Noch besser wäre es gewesen, einige von ihnen hätten das vor den versammelten Konferenzteilnehmern getan, wie der Vertreter der norwegischen Delegation. Er machte nämlich als einziger Akteur der westlichen Länder deutlich, dass die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten waren und Achmadinedschad genau das tat, was die UN-Konferenz verstärkt bekämpfen will: er stachelte zum Hass auf. Vielleicht wäre dann schon am ersten Tag mehr über die Sache als über die schlimme Inszenierung des Iraners gesprochen worden.

Fehler von Durban nicht wiederholt

Dass es der Konferenzleitung gelang, bereits am zweiten Tag ein in vielen Sitzungen vorbereitetes Abschlussdokument zur Verabschiedung zu bringen, ist ein gutes Zeichen. Weder wurde darin der Fehler von Durban wiederholt, zuzulassen, dass der Nahostkonflikt als einziger der weltweiten Konflikte konkret erwähnt wird, noch fehlte, wie zuvor befürchtet, der Hinweis auf den Holocaust, der niemals vergessen werden darf.

Die von einigen Hardlinerstaaten gewünschte Kritik an der angeblichen Diffamierung von Religion (gemeint ist der Islam) wurde ebenfalls nicht aufgenommen. So bleibt es in der stattdessen aufgenommenen Formulierung beim Recht auf Religionsfreiheit, wie in einem der beiden grundlegenden UN-Menschenrechtskonventionen, im sogenannten Zivilpakt, formuliert.

Damit ist es exakt das Dokument, das bereits bei der Vorbereitung in der vergangenen Woche die Zustimmung von über 180 UN-Staaten hatte, auch die Deutschlands und der EU. Für einen Boykott der Konferenz gibt es deshalb keine Grundlage mehr.

Boykott nutzt den Opfern nichts

Den weltweiten Opfern von Rassismus, die dringend Unterstützung brauchen, nutzt der Boykott ohnehin nichts. Sie könnten aber von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Präventionskonzepten profitieren. Das Papier enthält die dazu erforderlichen politischen Positionierungen und Anspruchsgrundlagen, zum Beispiel für die zahlreichen Opfer erniedrigender, sklavenartiger Arbeitsbedingungen in Haushalten. Die gibt es übrigens nicht nur im Nahen Osten, in Asien und in Afrika, sondern auch in Europa. Es ist einer der wichtigen Punkte, die über die Abschlusserklärung in Durban 2001 hinausgehen.

Insgesamt: Die Antirassismuskonferenz hat ihr eigentliches Thema wieder gefunden. Zum Beispiel: Wie können die durch Armut oder Klimawandel zur Migration gezwungenen Menschen vor Ausgrenzung, Erniedrigung oder gar Gewalt geschützt werden? Wie können Toleranz und friedliche Aushandlungsprozesse in den Gesellschaften gefördert werden? Welche Erfahrungen gibt es mit nationalen Aktionsplänen und wie können sie weiterentwickelt werden? Die Länder Europas und die USA können dieses wichtige, menschenrechtliche Anliegen der Vereinten Nationen beispielhaft voranbringen und zugleich Auftritte wie den von Achmadinedschad bedeutungslos machen, wenn sie sich ab sofort statt für Boykott für mehr Engagement in der Sache entscheiden.

Autorin: Ulrike Mast-Kirschning
Redaktion: Thomas Grimmer