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Die Anti-Terror-Front ist überall

Stephan Bachenheimer3. März 2006

Seit fünf Jahren habe ich aus Washington über Terror und über den Krieg gegen den Terror berichtet. Vor kurzem wurde mir eine neue Perspektive zuteil: die Festnahme als Verdächtiger.

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Im Krieg gegen den Terror habe ich mich an vieles gewöhnt. Zum Beispiel an die erkennungsdienstliche Behandlung bei der Einreise in die USA. Linker Zeigefingerabdruck. Rechter Zeigefingerabdruck. Dann das Foto für die Datenbank. Ich habe mich auch daran gewöhnt, auf Strümpfen durch US-Flughäfen zu schlendern, weil meine Schuhe geröntgt werden. Nur Terroristen bekommen bei solchen Sicherheitsvorkehrungen kalte Füße. Ich hingegen habe nichts zu verbergen, von meinen oft nicht zusammenpassenden Socken vielleicht einmal abgesehen.

Nicht gewöhnen hingegen kann ich mich an die rüden Methoden, mit denen auch innerhalb der USA im Krieg gegen den Terror gekämpft wird. Und die Front ist überall. Sie verlief kürzlich auch vor einem Postamt in New Orleans. Dort wurde ich festgenommen und in Handschellen gelegt.

"Im Krieg gegen den Terror herrschen andere Regeln"

“Kommen Sie mit”, befiehlt mir ein Polizist, als ich für eine Reportage über New Orleans die Postverteilung an Opfer des Hurrikans filme. “Wir brauchen ihr Videoband.” Meine Presseausweise werden ignoriert und mir zusammen mit meinem Führerschein abgenommen. Die Beamten der "Post-Polizei" drohen, mich “wegen illegalen Filmens” des Postgeländes zu verhaften, sollte ich nicht mein Videoband übergeben. “Krieg gegen den Terror” raunt mir einer der Polizisten zu.

Als ich auf einer Quittung für das Videoband bestehe, bekomme ich sie umgehend: nicht in Form von Papier, sondern in Form von Handschellen. Es klickt zweimal, danach sitze ich, Hände hinter dem Rücken, leicht vornüber gebeugt, vor einem Schreibtisch. “Sie sind festgenommen. Im Krieg gegen den Terror herrschen andere Regeln”. “Das kann jetzt lange dauern”, erklärt mir der mir gegenüber sitzende Beamte mit einem wissendem Lächeln und regelt an seinem Funkgerät.

Nach einer Dreiviertelstunde bietet man mir einen Handel an: Videoband gegen Freiheit und ohne Quittung. Und mit Blick auf das Wochenende ziehe ich die Freiheit vor. Auf dem Weg zum Auto eskortiert mich noch jemand, der sich als Bundesagent vorstellt, standesgemäß in Trenchcoat und Sonnenbrille gekleidet. “In Europa”, so erklärt mir der Agent, “wären Sie nicht so gut behandelt worden.”

Einschränkung der Bürgerrechte

Ich habe aus dieser Episode in New Orleans drei Dinge gelernt: Erstens: Nicht jeder amerikanische Bundesagent ist ein ausgewiesener Europakenner. Zweitens: Der Krieg gegen den Terror dient in den USA zunehmend als ein Generalargument zur Einschränkung von Bürgerrechten und selbst der Pressefreiheit. Und drittens: Die Kontrolle der staatlichen Gewalten durch die Medien ist wichtiger als je zuvor.

Unmittelbar nachdem die US-Journalistenorganisation RCFP (Reporters Committee for Freedom of the Press) den Fall im Internet veröffentlichte, hat die Postpolizei eine interne Untersuchung des Falls angeordnet. Auf meinem Anrufbeantworter hinterließ eine Beamtin vorab eine Entschuldigung. Und das beschlagnahmte Videoband ist auf dem Rückweg aus New Orleans. Per Post.