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"Die Arbeit ist noch lange nicht abgeschlossen"

15. März 2002

- Konferenz der Stasi- Aufklärungsbehörden in Budapest

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Budapest, 11.3.2002, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch

Vergangene Woche trafen sich die Vertreter der Stasi-Aufklärungsbehörden aus sieben Ländern in Budapest. Die Konferenz diente dem Erfahrungsaustausch, die deutsche Gauck-Behörde vertrat die Leiterin, Marianne Birthler. "Die Arbeit ist noch lange nicht abgeschlossen, in einigen Ländern beginnt die Aufarbeitung jetzt erst", urteilte György Makó, Leiter des Historischen Amtes, das in Ungarn für die Staatssicherheitsakten zuständig ist.

Die Konferenz am Mittwoch (6.3.) und Donnerstag (7.3.) stellte ein Novum dar - noch nie zuvor hatten die Vertreter Deutschlands, Tschechiens, der Slowakei, Ungarns, Polens, Rumäniens und Bulgariens an einem Tisch gesessen. "Wir hatten eigentlich nur Kontakt mit unseren Kollegen aus Berlin und Bukarest", gab Makó zu. Die Konferenzteilnehmer besuchten unter anderem auch die Archive und Forschersäle des Ungarischen Amts für Geschichte. Makó: "Die Vertreter Bulgariens und Rumäniens hatten besonders großes Interesse am Empfangsbereich, denn der wird dort erst aufgebaut."

Besonders die Erfahrungen Marianne Birthlers waren gefragt. "Wir waren die ersten, die die Akten aufgearbeitet haben. Und die einzigen, bei denen es so gründlich geschah", erklärte sie. In den übrigen Ländern verhinderte dies die Kontinuität zwischen altem und neuem Staat. "Wir benötigten eben die Sicherheitsexperten in den Geheimdiensten", bedauert György Makó.

Noch ist viel zu tun. In den ehemaligen Staaten der Sowjetunion gibt es bis heute keine Einrichtung, die mit der Gauck-Behörde vergleichbar wäre. "Wir bedauern das", resümierte Makó. "Die Tatsache, dass hier Vertreter aus sieben Ländern zusammen kamen, sollte ein Beispiel sein, wie man mit der Vergangenheit umgehen muss." In den Folgestaaten Ex-Jugoslawiens beginnt man jetzt erst mit dieser Art der Vergangenheitsbewältigung, die sich dabei unter anderem mit der Bitte um Rat an die Gauck-Behörde gewandt haben.

Auch in Ungarn kam nach der Wende die Aufarbeitung der Daten nur schleppend in Gang. Das ungarische Parlament akzeptierte erst am letzten Tag vor den Wahlen ein Gesetz zur Durchleuchtung öffentlicher Amtsträger - weil sie selbst betroffen gewesen wären. "Das ist schade, denn ein heilsamer Schock wäre gut für unsere Gesellschaft gewesen", so der Leiter der ungarischen Kontrollbehörde.

Deutlich wurden auch einige Unterschiede in der Arbeitsweise der existierenden Behörden. In Polen zum Beispiel verfügt die dortige Gauck-Behörde über eine eigene Detektivbehörde und stellt die aufgespürten Spitzel vor Gericht. In Bulgarien und Rumänien ist der Einfluss der Behörden geringer - sie verfügen noch nicht einmal über die Akten, denn diese werden von den Nachfolgediensten der Staatssicherheit gehütet. Makó: "Die geben nur eine Akte heraus, wenn es sein muss."

Der Chef des Historikersamts berichtete auch vom Stand der Durchleuchtungen der ungarischen Mitarbeiter bei Medien und der Justiz auf eine Geheimdienstmitarbeit. Die Untersuchung von 2000 leitenden Radio- und Fernsehmitarbeitern ist bereits abgeschlossen, in 50 Fällen wurde man fündig. Die Verfahren sind aber noch nicht abgeschlossen, da einige Betroffene Einspruch erhoben haben. Wem Mitarbeit nachgewiesen wurde, der kann seinen Hut nehmen - ansonsten werden die Daten veröffentlicht. In den kommenden Jahren sollen auch 10.000 Printjournalisten und 4000 Justizvertreter durchleuchtet werden.

Marianne Birthler regte an, eine Wanderausstellung zur Arbeit aller sieben Behörden zu schaffen. Die Anregung wurde ebenso wohlwollend angenommen wie die Idee, die Erfahrungen auf einem Folgetreffen zu vertiefen. Ort und Datum stehen allerdings noch nicht fest. "Einige Vertreter haben untereinander bilaterale Treffen vereinbart - wir zum Beispiel mit unseren rumänischen und bulgarischen Kollegen", schloss György Makó. (fp)