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Arktischer Rat

Irene Quaile16. Mai 2013

China ist jetzt permanenter Beobachter im Arktischen Rat. Die Anrainerstaaten sind längst nicht mehr unter sich. Der Klimawandel lässt die einstige Eiswildnis zu einer Hauptschiffsroute und Rohstoffquelle werden.

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Grönland, Schiff im Eis Foto: Irene Quaile Grönland, 2010
Grönland, Schiff im EisBild: DW/I.Quaile

Seitdem das arktische Eis immer schneller schmilzt, kann sich der Arktische Rat, einst eine exklusive, wenig bekannte Gruppierung, vor neuen Mitgliedsanträgen kaum retten. Kanada, die USA, Russland, Norwegen und Dänemark (mit Grönland und den Färöer Inseln) gelten als "Arktisländer". Finnland, Schweden und Island sind keine direkten Anrainer, aber ebenfalls Mitglieder im Rat, der Forschungs- und Entwicklungsvorhaben in der Nordpolregion koordiniert. Außerdem sind Organisationen der Ureinwohner der Arktis permanente Teilnehmer. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Polen, Spanien und die Niederlande sind als "ständige Beobachter" zugelassen. Bei einem Treffen im schwedischen Kiruna am 15. Mai erhielten China, Japan, Indien und Südkorea ebenfalls diesen Status. Ein Antrag der EU wurde allerdings vorerst abgelehnt.

Robbenfellverbot als Verhandlungsmasse?

Die EU ist in dem arktischen Gremium durch mehrere Mitgliedsländer bereits indirekt vertreten, erklärte Steffen Weber, Generalsekretär der unabhängigen Denkfabrik "EU-ARCTIC-Forum", im Gespräch mit der EU vor dem Treffen. Trotzdem wäre eine EU-Mitgliedschaft sinnvoll, glaubt Weber. "Die EU unterhält ausgesprochen umfangreiche Forschungs- und Kooperationsprogramme und ist einer der wichtigsten Akteure in der Arktis".

Robbenfellprodukte dürfen nicht in die EU importiert werden. Robben, Nordsee Copyright: DW/Irene Quaile-Kersken August, 2012
Robbenfell darf nicht in die EU importiert werdenBild: DW/I.Quaile-Kersken

Außerdem nennt Weber wirtschaftliche Interessen. So beziehe die EU Gas, Rohstoffe und Fisch zu einem großen und wichtigen Teil aus der Arktis.

Das Verhältnis zwischen der EU und dem Arktischen Rat ist allerdings durch ein EU-Verbot für Robbenfellprodukte belastet. Dieses Thema ist vor allem für Kanada wichtig, das für die nächsten zwei Jahre den Vorsitz des Rats von Schweden übernehmen wird. Auch der Walfang ist ein Streitpunkt.

Eilis Quinn ist Redakteurin beim Arktisportal "Eye on the Arctic" vom kanadischen Sender RCI: "Die nördlichen Völker sind richtig wütend. Es werden Unterschriften gesammelt. Die Gegner wollen der EU keinen permanenten Beobachterstatus einräumen, es sei denn, sie mache das Verbot rückgängig. "

Gleichzeitig verhandelt Kanada gerade über eine wichtige Handelsvereinbarung mit der EU, die durch eine Ablehnung beeinträchtigt werden könnte. Trotzdem blockierte das Land vorerst den Antrag der EU. 

Karte zeigt die zwei bisherigen Routen, Nordost- und Nordwestpassage und die evtl. zukünftige Zentralarktische Passage. --- DW-Grafik: Peter Steinmetz
Die Eisschmelze eröffnet lukrative Schiffsrouten durch die einst schwer zugängliche Arktis

Kanada will den Norden entwickeln

Bereits vor dem Wechsel im Vorsitz des Arktischen Rats von Schweden nach Kanada hat die kanadische Arktis-Ministerin Leona Aglukkaq "die Entwicklung des Nordens für die Menschen des Norden" als Priorität festgelegt. "Der Ansatz ist sehr stark wirtschaftlich orientiert", erklärt Eilis Quinn. "Viele Menschen im Norden sind sehr angetan von dieser Idee. Viele Gemeinden in der arktischen Region des Landes haben mit hoher Arbeitslosigkeit zu kämpfen und wollen in die Entwicklung des Tourismus oder der Ressourcenausbeutung einbezogen werden".  Gleichzeitig sei eines der Hauptthemen in dieser Region die Auswirkungen des Klimawandels auf den Alltag der Inuit, ergänzt die Expertin:

"Ein großer Anteil der Inuit in der kanadischen Arktis verlässt sich auf die Jagd, um seine Familien und Gemeinden zu ernähren". Deshalb wundere es vielen Experten, dass der Klimawandel, der diese Lebensweise zunehmend erschwert, nicht höher auf der kanadischen Agenda stehe.

China ist schon längst präsent

Das zunehmende Interesse asiatischer Länder, insbesondere Chinas, an der Arktis sorgt international für große Aufmerksamkeit. Die kontroverse Diskussion darüber habe eher mit festgefahrenen Sichtweisen als mit Fakten zu tun, sagt Mika Mered, Exekutivdirektor und Chefanalytiker von Polariis Advisory Services in Washington.

The undated photo shows a member of China's third Arctic expedition helping drag the underwater robot "Arctic ARV" out of the Arctic Ocean. "Arctic ARV", the first underwater robot developed by China, has successfully completed its first investigation under ice at north latitude of 84 degrees. Xinhua /Landov +++(c) dpa - Report+++
China forscht schon lange in der ArktisBild: picture-alliance/dpa

"China, Indien, Japan, Südkorea oder Singapur haben ein legitimes Recht, den Beobachterstatus zu erhalten. Das wirtschaftliche Modell dieser Länder im 21. Jahrhundert hängt von der Sicherheit der Schifffahrtsrouten aus, über die sie ihre Güter transportieren." Die asiatischen Länder würden nach Meinung von Mered auch kein Risiko für die Arktisländer darstellen. "Im Gegenteil. Je mehr weitere Länder und Stakeholders (Interessengruppen) in den Rat einbezogen werden, desto stärker wird er".

Allerdings sehen das die US-Strategen anders, so Mered. "Amerikanische Strategen haben heute genauso viel Angst vor China wie vor Russland vor 20 Jahren." Die Arktis werde zunehmend zu einem Spielball der internationalen Politik und der Wirtschaft. "Die Arktis spielt eine Schlüsselrolle im 21. Jahrhundert. Sie wird zum Zentrum der Welt. Wer die Arktis kontrolliert, kontrolliert die Welt, könnte man sagen".

In diesen Tagen haben die USA eine Arktisstrategie veröffentlicht. Ihre geostrategische Bedeutung habe für die EU in den letzen Jahren durch die unerwartete Geschwindigkeit der Eisschmelze drastisch zugenommen, sagt Mered. Außenminister John Kerry war in Kiruna anwesend. Seine Hauptbotschaft laut Mered, "dass die USA der Arktis große Aufmerksamkeit zuwenden werden".

Wie wichtig ist der Arktische Rat?

Um seine Interessen in der Arktis zu sichern ist China allerdings nicht auf den Beobachterstatus im Arktischen Rat angewiesen, ist Mered überzeugt. So werde beispielsweise über einen "Polar Code" für die Schiffahrt in polaren Gewässern im Rahmen der IMO, der internationalen Schifffahrtsbehörde verhandelt.

Tromsö in Norwegen wird oft Tor zur Arktis genannt Irene Quaile, Tromsö 2011
Tromsö: Sitz des Sekretariats des Arktischen RatsBild: DW

Auch Steffen Weber vom EU-ARCTIC-Forum relativiert die Bedeutung des permanenten Beobachterstatus im Arktischen Rat. Schließlich habe man damit kein Abstimmungsrecht:  "Neben diesem diplomatischen Status gibt es einen de facto Status, und er berechnet sich nach der Qualität und Quantität des jeweiligen Engagements. Wie viele Eisbrecher, wie viele Forschungsschiffe sind da? Welche Kapazität hat ein Land vor Ort? In wie vielen wirtschaftlichen Unternehmungen sind Firmen eines Landes involviert?"

So habe China mit Plänen für Minen auf Grönland oder einem Hafen auf Island de facto bereits einen Einfluss. Dies gelte auch für andere Nicht-Arktisanrainer.

Der Arktische Kreis

Islands Präsident Olafur Ragnar Grimsson, sorgte neulich für Schlagzeilen, als er die Gründung des "Arctic Circle" bekannt gab, eines "Arktischen Kreises", der für alle interessierten Länder und Organisationen offen sein sollte. "Unsere Arktis wird zur Globalen Arktis", sagte Grimsson. Das Interesse nichtarktischer Länder am Arktischen Rat sei ein "Weckruf" für die Arktisländer.

Für Analytiker Mered könnte die neue Initiative ein Gegengewicht zum Arktischen Rat werden. Die Ankündigung könnte aber auch Kanada in den kommenden zwei Jahren dazu bewegen, den Arktischen Rat etwas weiter zu öffnen. Steffen Weber glaubt dagegen nicht, dass das neue Forum in Konkurrenz zum Arktischen Rat stehen muss. "Wenn sich die Arktis so verändert, wie die Forscher das vorhersagen, dann gibt es ganz gewaltige Probleme und Chancen, und man wird sie nur bewältigen können, wenn es in Kooperation geschieht."

In der Zwischenzeit stünden die im Rat beschlossene "Search and Rescue-Vereinbarung" und das in Kiruna beschlossene Abkommen über die Beseitigung von Ölunfällen als Zeichen dafür "mit welcher Ernsthaftigkeit im Arktischen Rat gearbeitet wird, und auch in welche Richtung es da geht".