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Die atomare Gefahr ist weit weg

16. März 2011

In Europa sollen Atomkraftwerke einem Stresstest unterzogen werden, in Deutschland gehen die ältesten gar ganz vom Netz. In den Vereinigten Staaten reagiert man gelassener auf die Atomkatastrophe in Japan.

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Weißes Haus (Foto: AP)
Keine Angst vor der 'radioaktiven Wolke': Das Weiße HausBild: AP

Natürlich beherrscht die Tragödie in Japan auch in den USA die Medien. Doch im Fernsehen konzentriert man sich vor allem auf die spektakulären Bilder von schwankenden Gebäuden, davonschwimmenden Häusern und die herzzerreißenden Geschichten von Überlebenden. Erst danach geht es um den drohenden GAU im Atomkraftwerk Fukushima.

Doch auch bei der Diskussion um die Strahlenbelastung steht die Gefahr für die Menschen in Japan im Vordergrund. Erst dann kommen, etwa im Fernsehsender CNN, Nuklear-Experten wie Robert Alvarez vom Institut für politische Studien zu Wort. Er fordert, auch für die USA Konsequenzen aus der Katastrophe auf der anderen Seite des Pazifiks zu ziehen: "Wir müssen darüber nachdenken, wie sinnvoll es ist, Atomkraftwerke in Erdbebengebieten zu haben. Wir müssen überprüfen, ob diese Kraftwerke sicher sind. Ich bin der Ansicht, dass die Betriebsgenehmigungen der beiden Atomkraftwerke in Kalifornien, die sich in seismisch aktiven Gebieten befinden, nicht verlängert werden dürfen, sondern auslaufen müssen."

US-Reaktoren sind "sicher"

Jay Carney (Foto: dpa)
Beruhigt die Amerikaner: Jay CarneyBild: picture alliance/dpa

Die US-Regierung sieht allerdings keinen Grund zu Maßnahmen wie in Deutschland. Jay Carney, der Sprecher des Weißen Hauses, verwies auf die Stellungnahme der zuständigen Nuklearen Regulierungskommission: "Ihr Urteil lautet, dass unsere Anlagen sicher sind. Sie überprüfen ständig ihre Standards, werten neue Informationen aus und wenden sie entsprechend an, das gilt sowohl für alte als auch für neue Reaktoren."

Die Förderung der Atomenergie ist eines der wenigen Felder, in denen sich US-Präsident Barack Obama, Demokraten und Republikaner einig sind. Alle wollen die Abhängigkeit der USA vom Öl verringern und saubere Energien fördern, und die Vorbehalte gegen Atomenergie sind in den letzten Jahren zurückgegangen. Atomstrom gehört hier mit zum Energiemix. Derzeit werden 20 Prozent des Stroms in den USA aus Atomenergie gewonnen. Neue Kraftwerke gingen in den letzten Jahrzehnten allerdings kaum ans Netz. Das sollte sich jetzt ändern.

Michael Levi, Nuklear-Experte des Council on Foreign Relations meint, dass es noch zu früh ist, um sagen zu können, welche Folgen die Reaktorkatastrophe in Japan auf die US-Politik in Sachen Nuklearenergie hat. Mit Deutschland könne man das politische Klima aber nicht vergleichen, meinte er in einer Telefonkonferenz mit Journalisten.

"In Deutschland ist die Debatte um die Atomkraft wesentlich ausgeprägter als hier. Dort schadet es einer Regierung nicht, wenn sie sich gegen die Atomkraft ausspricht, im Gegenteil. In den USA dagegen kann [eine Regierung] nicht viele Stimmen gewinnen, wenn sie ihre Ansicht zur Atomkraft ändert."

Große Entfernung! Keine Gefahr!?

Eine Partei wie die Grünen, die sich mit ihrem Widerstand gegen Atomkraft profiliert hat, gibt es in den USA nicht. Levi vergleicht die Reaktionen auf die Atomkatastrophe mit der Diskussion über Tiefseeölbohrungen nach der BP-Ölkatastrophe im Golf von Mexiko. Zunächst sehe sich jede Seite in ihren Ansichten bestätigt.

(Foto: AP)
Monatelang strömte Öl in den Golf von MexikoBild: AP

"Wer gegen Ölbohrungen war, sah eine große Umweltkatastrophe, wer dafür war, erklärte die Schäden an den Küsten für überschaubar. Aber weniger als ein Jahr nach der Ölkatastrophe führen wir wieder die gleichen Debatten über Offshore-Bohrungen wie vor der Ölkatastrophe."

Es sei wichtig, die Auswirkungen eines einzigen Ereignisses nicht überzubewerten. Und für die öffentliche Meinung spiele der Ort der Katastrophe eine große Rolle. Dieser Unfall jetzt sei etwas anderes als die teilweise Kernschmelze des Reaktors von Three Mile Island in Pennsylvania 1979.

Darauf wies auch Pressesprecher Jay Carney hin: "Ich möchte diese Gelegenheit nutzen und die amerikanische Bevölkerung daran erinnern, dass dieser Vorfall in Japan stattfindet und nicht in den USA. Der Vorsitzende der Nuklearen Regulierungskommission hat gestern erklärt, dass nach seiner Ansicht für die Bevölkerung in den USA keine Gefahr durch eine radioaktive Wolke besteht. Der Grund ist die große Entfernung."

Autorin: Christina Bergmann, Washington
Redaktion: Christian Walz