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Die Baustellen der OSZE

1. Dezember 2010

Die OSZE ist reformbedürftig. Darüber herrschte Einigkeit beim Gipfeltreffen in der kasachischen Hauptstadt Astana. Wie die OSZE der Zukunft aussehen soll, daran scheiden sich die Geister.

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Fahnen mit OSZE-Aufschrift vor Baukränen (Foto: dw)
Der Umbaubedarf bei der OSZE ist großBild: DW/Esther Broders

Ein stolzer Gastgeber, der in die Kamera lächelt und seinen geladenen Gästen die Hand schüttelt. In dieser Rolle gefiel sich der kasachische Staatspräsident Nursultan Nasarbajew sichtlich. Eine halbe Stunde lang dauerte die Begrüßung sämtlicher Staats- und Regierungschefs oder ihrer Vertreter zum Auftakt des OSZE-Gipfels in der kasachischen Hauptstadt. Doch die demonstrative Harmonie hatte nicht lange Bestand. Prinzipiell sind sich zwar alle einig, dass die 1975 unter dem Namen 'Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa' (KSZE) gegründete Organisation reformiert werden muss. Sobald es aber um Inhalte ging, wurden die Risse sichtbar, die quer durch die Organisation gehen.

Auf einem Großbildschirm ist zu sehen, wie Nursultan Nasarbajew und Hillary Clinton sich die Hand geben. Vor dem Bildschirm sitzen Journalisten mit Laptops. (Foto: dw)
Der große Auftritt von Nasarbajew - übertragen auf großen BildschirmenBild: DW/Esther Broders

Während einige Staaten wünschen, dass die OSZE sich künftig mehr um Wirtschafts- und Finanzfragen kümmert, so gibt es auch Staaten, die andere Ziele verfolgen. Kasachstan und auch Russland schwebt beispielsweise ein "gemeinsamer Sicherheitsraum von Wladiwostok bis Vancouver" vor. Der russische Präsident Dmitri Medwedew beklagte, die Organisation habe bereits an Potenzial und Ansehen verloren. Es fehle an klaren Regeln. Nursultan Nasarbajew forderte eine ganze Reihe neuer Institutionen.

Wiederbelebung der OSZE?

Der Gastgeber will sich und seinem Land mit dem Gipfel selbst ein Denkmal setzen – und einen positiven Schlusspunkt unter den kasachischen OSZE-Vorsitz. Nasarbajew appellierte an die Teilnehmer, diesen ersten Gipfel der Organisation seit elf Jahren als Chance zu nutzen, um neue Perspektiven für die oft als "Lame Duck", als lahme Ente, bezeichnete OSZE zu erarbeiten.

Die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft seien riesig – und die Kompetenzen der OSZE gefragt, beispielsweise bei Problemen wie dem internationalen Drogenhandel oder illegaler Migration. Eine der wichtigsten Aufgaben der OSZE ist außerdem die Verhütung und Lösung von Konflikten. Und da habe die OSZE gerade in diesem Jahr bewiesen, wie wertvoll ihre Vermittlunsfähigkeit sei. "Die tiefe politische Krise in Kirgisistan hätte sonst auch zu einem Flächenbrand in Zentralasien werden können", so Nasarbajew.

Nursultan Nasarbajew und Ban Ki Moon geben sich die Hand (Foto: ap)
Es herrscht Einigkeit zwischen Nursultan Nasarbajew und Ban Ki MoonBild: AP

Unterstützung für diese Aussage bekam der kasachische Präsident von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der den Einsatz als lobendes Beispiel für eine funktionierende Zusammenarbeit hervorhob. "Mit vereinten Kräften haben die UN, die OSZE, die EU und andere schnelle Hilfe geleistet und den Menschen in Kirgistan in einer kritischen Situation Unterstützung geboten." Nun warte in Afghanistan eine weitere Prüfung auf die OSZE, so Ban weiter. Nasarbajew betonte, dass die OSZE in der "Problemzone Afghanistan" mit dazu beitrage, die Strategie zur Verbesserung der Sicherheitslage umzusetzen.

Auch US-Außenministerin Hillary Clinton würdigte das Engagement der OSZE am Hindukusch. Sie machte jedoch auch deutlich, dass sich die USA mehr Einsatz von Seiten der OSZE wünschen. "Ich danke allen an diesem Tisch dafür, dass sie erkannt haben, wie gefährlich die Situation in Afghanistan nicht nur für Zentralasien, sondern auch für den OSZE-Raum ist", so Clinton. Insgesamt müsse die Organisation aber eine größere Rolle im Land spielen.

Darüber hinaus sprach Clinton auch den Südkaukasuskrieg 2008 zwischen Russland und Georgien um die abtrünnigen georgischen Gebiete Abchasien und Südossetien an. "Wir brauchen eine sinnvolle OSZE-Präsenz in Georgien", so die Forderung der US-Außenministerin. Damit gemeint ist der Einsatz internationaler Beobachter auch in den abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien - wofür Russland allerdings erst einmal deren völkerrechtliche Anerkennung fordert.

"Kritische Bestandsaufnahme"

Der Georgien-Krieg habe die OSZE auf eine harte Probe gestellt, meinte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Ehrlicherweise müssen wir uns eingestehen, dass die kriegerische Auseinandersetzung im Sommer 2008 zu einer echten Vertrauenskrise in der OSZE geführt hat." Diese sei glücklicherweise überwunden.

Am Rande des Gipfels zog die Kanzlerin auch eine erste Bilanz des kasachischen OSZE-Vorsitzes. Das autoritär regierte zentralasiatische Land ist die erste ehemalige Sowjetrepublik, die das jährlich wechselnde Amt ausübt. Kasachstan stelle in einer politisch instabilen Region einen stabilisierenden Faktor dar und könne dazu beitragen, regionale Konflikte in Asien zu lösen, so Merkel weiter.

Hillary Clinton hört zu, als die neben ihr sitzende Kanzlerin Angela Merkel auf der Konferenz spricht (Foto: dpa).
US-Außenministerin Hillary Clinton und Bundeskanzlerin Angela Merkel fanden Worte der KritikBild: picture-alliance/dpa

Den Gipfel in Astana bezeichnete Angela Merkel als Gelegenheit für eine "kritische Bestandsaufnahme". Seit dem Ende des Kalten Krieges sei vieles erreicht worden, trotzdem gebe es für die Organisation noch eine Menge zu tun. Deshalb sei jetzt ein konkreter Aktionsplan für die nähere Zukunft wichtig. Am Donnerstag geht der Gipfel in Astana zu Ende. Bis dahin wollen die Teilnehmer ein gemeinsames Papier zur Zukunft der OSZE ausgearbeitet haben.

Autorin: Esther Broders
Redaktion: Marco Müller