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Maler und Widerstandskämpfer: Ernst Walsken

27. Januar 2010

Ernst Walsken war politischer Häftling unter den Nazis und musste in norddeutschen Mooren schuften. Der Widerstandskämpfer war aber auch Maler und dokumentierte das Leben in den Emslandlagern. Unter Lebensgefahr.

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Ernst Walsken, "In der Baracke". Papierschnitt. (Foto: Dokumentations-und Informationszentrum Emslandlager)
"In der Baracke". Papierschnitt.Bild: Dokumentations-und Informationszentrum Emslandlager

Die Männer sitzen auf Schemeln in tristen Baracken, sie lesen, schreiben einen Brief, verrichten kleine handwerkliche Arbeiten, schauen aus dem Fenster in eine karge Landschaft: Ernst Walsken zeigt auf seinen Zeichnungen nachdenkliche, traurige, müde, ja zu Tode erschöpfte Menschen. Der 1909 geborene Maler hat das Leben seiner Leidensgenossen in den NS-Straflagern des Emslands aus der Nähe dokumentiert. Nach einer Odyssee durch verschiedene Gefängnisse und Zuchthäuser war er selbst dort zwei lange Jahre in Haft. Später hat er über seine Ankunft im Lager notiert: "Eine Mauer in ödem Gelände. Noch erhöht mit Elektrodraht. Der Bus hält. Männer in blauen Uniformen erwarten uns. Gebrüll. Aussteigen. Antreten. Posten mit Gewehren im Anschlag. Und dann: Abzählen, im Laufschritt durch Baracken. Registriert werden, Kleider wechseln. Erste Prügel. Jetzt war ich Nummer 373. Die Haare runtergeschnitten, Holzschuhe an den Füßen."

Ernst Walsken. "Am Tisch". Zeichnung mit Schuhcreme. (Foto: Dokumentations-und Informationszentrum Emslandlager)
"Am Tisch". Zeichnung mit Schuhcreme.Bild: Dokumentations-und Informationszentrum Emslandlager

Schuften im Moor

Ernst Walsken war Widerstandskämpfer, Demokrat und Sozialist - deshalb wurde er von der NS-Gerichtsbarkeit wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zur Zwangsarbeit verurteilt. Die Arbeit im Moor, beim Torfstechen und dem Ausheben von Gräben, war eine Quälerei. Sie war Walsken noch Jahre nach seiner Freilassung in schrecklicher Erinnerung: "Fein im Block musste der Torf abgestochen und weit über den Rand des Grabens geworfen werden. Richtete sich einer bei der Arbeit auf – sofort erfolgte die Strafe. Die Drangsalierung begann. Hinlegen, Kniebeugen, über die Gräben springen. Und es kam vor, dass einer aus Verzweiflung in die Postenkette lief. Dann ein Schuss."

Ernst Walsken "Gewitter im Moor", Aquarell. (Foto: Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager)
"Gewitter im Moor", Aquarell.Bild: Dokumentations-und Informationszentrum Emslandlager

Das Zeichnen war im Lager wie so vieles andere strengstens verboten. Walsken tat es dennoch. Die ersten Bilder fertigte er mit Schuhcreme, weil nichts anderes zur Verfügung stand. Später waren einfache Bleistifte oder selbst zusammen gerührte Aquarellfarben ein kostbares Gut. Auch Papier war knapp, der Maler nahm jeden nur erreichbaren Fetzen. Alles musste versteckt werden. Häftlinge, die entlassen wurden, haben viele Zeichnungen mit hinaus geschmuggelt.

Ernst Walsken: "Stehender Gefangener" Zeichnung mit Schuhcreme. Und "In der Zelle Schreibender", Tintenzeichnung (Foto: Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager) RECHTS: Ernst Walsken: "In der Zelle Schreibender". Tintenzeichnung. Copyright:Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager
Links: "Stehender Gefangener" Zeichnung mit Schuhcreme. Rechts: "In der Zelle Schreibender". Tintenzeichnung.Bild: Dokumentations-und Informationszentrum Emslandlager

Traumatische Erinnerungen

Ernst Walsken hatte Glück. Er überstand die Haft, später auch den Kriegseinsatz in einem so genannten "Bewährungsbataillon" in Tunesien. Dort desertierte er und lief zu den Amerikanern über, es folgte der Aufenthalt in amerikanischen Kriegsgefangenenlagern. Er kehrte in seine Heimatstadt Solingen zurück, arbeitete, malte wieder. Doch die von den Nationalsozialisten gestohlenen Jahre konnte ihm niemand zurückgeben. Über seine Erlebnisse im Lager mochte er lange Zeit mit der Familie nicht sprechen, wie sein Sohn Ernst Martin sich erinnert: "Ich hab das erst erfahren, als ich so ungefähr siebzehn Jahre alt war. Ich wusste zwar, dass da was gewesen ist – aber es war meinen Eltern nicht sehr angenehm, darüber zu sprechen."

Später wurde der Maler Ernst Walsken zu einem wichtigen Zeitzeugen, berichtete im In- und Ausland über seine Erfahrungen. Und blieb dabei ein kritischer Beobachter des politischen Geschehens in der Bundesrepublik. Sein Sohn Ernst Martin sagt heute: "Mein Vater hat das getan, was er für richtig hielt und das haben andere nachher so toll gefunden und das finde ich auch gut – aber ich würde ihn nicht zum Helden erklären. Das war einfach ein ganz toller Demokrat, der sich für das eingesetzt hat, was er für richtig gehalten hat."

Im Solinger Museum ist das Lebenswerk von Ernst Walsken noch bis zum 21. Februar zu besichtigen.

Autorin: Cornelia Rabitz

Redaktion: Marlis Schaum