1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die blockierte Kanzlerin

Bernd Grässler2. März 2013

Für die Regierung Merkel wird es ungemütlich: Die Opposition will mit ihrer neuen Mehrheit in der Länderkammer die politische Agenda bestimmen. Und sie kann noch mehr Gesetze blockieren.

https://p.dw.com/p/17meA
Blick durch eine Glastür in den Plenarsaal des Bundesratsgebäudes in Berlin Foto: Axel Schmidt/dapd
Bild: dapd

"Wir können den Bundesrat nicht allein marschieren lassen", so wird ein Satz Angela Merkels zitiert, der dieser Tage in kleinem Kreis gefallen sein soll. Gemeint ist, dass die Bundesregierung  beim Verfassungsgericht ein Verbot der rechtsradikalen NPD beantragen solle - ebenso wie es der Bundesrat bereits vor zwei Monaten getan hatte. Nach längerem Zaudern will die Kanzlerin nun nachziehen. Schließlich ist der Gegenstand zu brisant, um ihn allein der Länderkammer zu überlassen, wo die Opposition das Sagen hat: Es könnte gar so aussehen, als habe die Regierung kein ausreichendes Interesse am entschiedenen Vorgehen gegen Rechtsextremismus.

Der oppositionsbeherrschte Bundesrat wird für die Regierung Merkel zunehmend zum Problem. Angefangen hatte es bereits 2010, als Union und FDP nach mehreren verlorenen Landtagswahlen die eigene Mehrheit in der Länderkammer einbüßten. Dort prüfen die Vertreter der Landesregierungen alle vom Bundestag beschlossenen Gesetze, von denen die Angelegenheiten der 16 Bundesländer betroffen sind.

Totale Blockade von Gesetzen möglich

Seit längerem schon war die schwarz-gelbe Bundesregierung auf Kompromisse mit der Opposition angewiesen, die oft erst nach langen zähen Verhandlungen im gemeinsamen Vermittlungsausschuss von Länderkammer und Parlament geschlossen wurden. Mitunter versuchte die Bundesregierung auch, durch juristische Tricks den Bundesrat aus der Gesetzgebung auszuschalten, indem sie Gesetze für "nicht zustimmungspflichtig" erklärte. Doch seit der Niedersachsen-Wahl im Januar ist auch damit Schluss. Die von Sozialdemokraten, Grünen und Linken regierten Länder verfügen seitdem über 36 der 69 Stimmen (siehe Grafik).

Graphische Darstellung der Sitzverteilung im Bundesrat
Sitzverteilung im Bundesrat seit der Landtagswahl in Niedersachsen am 20. Januar 2013

Mit dieser Mehrheit kann die Opposition nun ausnahmslos alle Gesetzentwürfe der Regierung, die in den Bundesrat gelangen, entweder stoppen oder in den Vermittlungsausschuss verweisen und dort notfalls bis zum Ende der Legislaturperiode schmoren lassen. Alle Gesetze, bei denen der Bundesrat ein Mitspracherecht hat, sind neuerdings also auf die Gnade der Opposition angewiesen. Und auf diese darf die Regierung nur selten rechnen.

Zwar kann man die Länderkammer nicht nur mit der Parteibrille betrachten. Denn oft entscheiden die Ministerpräsidenten der Bundesländer nach eigener Interessenlage und nicht nach Wünschen ihrer jeweiligen Berliner Parteizentrale -  aber in Wahlkampfzeiten gilt das kaum. Gerade die Union kann davon ein Lied singen. Vor den Bundestagswahlen 1998 organisierte der damalige SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine mit den rot-grünen Länderchefs eine Blockade gegen die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung, die zum Wahlsieg über Helmut Kohl beitrug.  

"Werden Regierung vor uns her treiben"

Doch der Bundesrat taugt nicht nur zur Blockade. Er hat auch das Recht, eigene Gesetzesinitiativen zu starten. In den nächsten Monaten will die Opposition damit den Boden für eine erneute rot-grüne Wende bereiten. Initiativen für einen gesetzlichen Mindestlohn, die steuerliche Gleichstellung von Homo-Paaren oder die doppelte Staatsbürgerschaft für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern sollen beschlossen werden. SPD und Grüne wollen auch eine Regelung in die Länderkammer bringen, die den Lizenzentzug  für Banken vorsieht, die sich an Steuerbetrug beteiligen. Außerdem will man die Regierung auffordern, die gesellschaftlich umstrittene "Herdprämie" nicht einzuführen, die ab August  an Eltern gezahlt werden soll, deren Kinder keine staatlich subventionierte Betreuung in Anspruch nehmen." Wir werden die Regierung vor uns her treiben", heißt es in der Opposition.

Zwar toben im Plenum der Länderkammer üblicherweise keine Redeschlachten, und Applaus ist sogar verpönt. Und letztlich kann der Bundestag mit seiner schwarz-gelben Mehrheit die Gesetzesinitiativen aus der Länderkammer zurückweisen. Doch die Opposition möchte dem  Wahlvolk zeigen: Seht her, wir meinen es ernst. Und falls Ihr uns auch am 22. September bei der Bundestagswahl die Mehrheit gebt, können alle diese Gesetze schnell Realität werden.

Denn eines steht bereits jetzt fest: Falls SPD und Grüne tatsächlich zusammen die Bundestagswahl am 22. September gewinnen, würde eine Regierung unter Merkels sozialdemokratischem Herausforderer Peer Steinbrück mindestens ein Jahr ohne Blockade regieren können. Frühestens mit der Landtagswahl im Herbst 2014 in Brandenburg könnte Rot-Grün die Mehrheit in der Länderkammer wieder einbüßen.