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Rettungsfonds soll größer werden

Bernd Riegert25. März 2012

Der Widerstand Deutschlands gegen einen größeren Rettungsfonds (ESM) für die Euro-Zone wird schwächer. Streit über eine Aufstockung des ESM droht in der Berliner Regierungskoalition.

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Flammen vor der EZB-Zentrale in Frankfurt am Main (Foto: dapd)
Bild: dapd

Der permanente Europäische Rettungsfonds (ESM) soll vom Sommer 2012 an arbeiten und verhindern, dass die Schuldenkrise auf weitere Mitgliedsstaaten der Euro-Zone übergreift. Deshalb trägt der ESM auch den bildhaften Beinamen "Brandschutzmauer". Wie hoch diese Mauer zu ziehen ist, darüber wird in der Europäischen Union schon seit Monaten gerungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel beharrte zunächst darauf, dass die Obergrenze von 500 Milliarden Euro an Kreditgarantien nicht überschritten werde dürfe. Beim letzten EU-Gipfel Anfang März setzte sie dann durch, dass eine Entscheidung über das Volumen des Rettungsfonds bis zum Treffen der Euro-Finanzminister Ende März in Kopenhagen verschoben wurde. "Der März hat bekanntlich 31 Tage", sagte Merkel auf die Frage, wann denn die Entscheidung fallen werde.

Rettungsfonds verdoppeln?

Fast alle Finanzminister der 17 Euro-Staaten sind mittlerweile der Auffassung, dass der ESM mit 500 Milliarden Euro an Kreditgarantien zu klein ist. Der EU-Kommissar für Währungsfragen, Olli Rehn, lässt in Brüssel ein Papier zirkulieren, aus dem hervorgeht, dass der Rettungsfonds fast auf das Doppelte aufgepumpt werden soll. Rehn plädiert dafür, den vorläufigen Rettungsschirm EFSF mit einem Volumen von 440 Milliarden und den permanenten Rettungsfonds ESM einfach zu addieren. Das wären dann 940 Milliarden Euro an möglicher Kreditsumme. Nur so könne sichergestellt werden, dass die Finanzmärkte von Spekulationen gegen Spanien und andere schwächelnde Euro-Staaten abgehalten werden können, heißt es aus der EU-Kommission. Dadurch würden die Kreditgarantien, die Deutschland abgeben muss, auf jeden Fall über den bisherigen Rahmen von 211 Milliarden Euro ansteigen. Diesen Schritt wollte die Bundeskanzlerin eigentlich vermeiden, weil ihr Ärger in der eigenen Regierungskoalition in Berlin droht. Ihr Koalitionspartner FDP und Teile der konservativen Union lehnen eine Aufstockung der Garantien eigentlich ab.

Angela Merkel und Wolfgang Schäuble (Foto: dapd)
Allein gegen die Mehrheit: Bundeskanzlerin Merkel, Finanzminister SchäubleBild: dapd

Berlin prüft Modelle

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble baut deshalb vor und hat einen Plan zur vorsichtigen Aufstockung der Rettungsfonds ausgearbeitet. Schäuble, der noch im November 2011 eine Ausweitung brüsk abgelehnt hatte, will jetzt den alten EFSF und den neuen ESM eine Zeit lang parallel laufen lassen. So soll das Ausleihvolumen auf 600 Milliarden Euro steigen, ohne dass der deutsche Anteil am Rettungsrisiko zu stark wächst. Dies soll den Koalitionspartnern nun schmackhaft gemacht werden. Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Fraktion im Bundestag, Michael Meister, sagte, es sei klar, dass der Rettungsfonds größer werden müsse, jetzt gehe es nur noch um das Modell. Der Bundestag wird die Gesetze zum ESM abschließend im Mai verabschieden. Die SPD-Opposition wirft der Bundeskanzlerin "Wortbruch" vor.

Druck von internationalen Partnern

Mitte April soll auf der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) entschieden werden, ob bei dieser Institution ein Sonderfonds für Europa eingerichtet wird. IWF-Chefin Christine Lagarde hat immer wieder betont, dass dies nur erfolgen könne, wenn die Europäer selbst mehr Geld in die Hand nehmen würden. Die Euro-Zone sollte also ihre eigene Brandschutzmauer erhöhen, bevor sie bei der Feuerwehr IWF um Hilfe bittet. Beim letzten Finanzministertreffen der G20, in der wichtige Industrie- und Schwellenländer zusammengeschlossen sind, sagte US-Finanzminister Timothy Geithner, die Europäer könnten nicht mit Geld vom IWF rechnen, so lange ihre Brandschutzmauer zu niedrig sei. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten schon im Dezember 2011 beschlossen, 300 Milliarden Euro an frischen Krediten für den IWF bereit zu stellen, die dieser dann nach Europa vergeben sollte. Dieser Plan wurde bislang nicht weiter verfolgt.

Olli Rehn (Foto: Reuters)
EU-Kommissar Rehn will den Hilfsfonds aufstockenBild: Reuters

Oberbrandmeister Draghi

Die größte Brandschutzmauer hat zurzeit der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, errichtet. Er lieh den europäischen Banken rund 1000 Milliarden Euro (1 Billion) zu niedrigsten Zinsen, um eine Kreditklemme zu verhindern und den Kauf von Staatsanleihen anzukurbeln. "Wir mussten handeln", sagte Draghi in einem Interview mit der Boulevard-Zeitung "Bild". "Das Schlimmste ist überstanden, aber es gibt noch Risiken." Mario Draghi nannte Deutschland mit seinem Wirtschaftswachstum und seiner Stabilitätskultur ein "Vorbild" für den Rest der Euro-Zone. Dazu ließ sich der Präsident der Zentralbank mit preußischer Pickelhaube ablichten, dem Symbol für deutsche Ordnungsliebe. Der Präsident der Deutschen Bundesbank, also der deutschen Zentralbank, kritisiert hingegen das Fluten der Banken mit billigem Geld. Jens Weidmann warnt, dies sei eine heimliche Finanzierung von Staatsschulden durch die Notenpresse. Die wiederum könnte langfristig zur Geldentwertung, also dem Gegenteil von Stabilität führen. "Am Vorrang des Ziels der Preisstabilität darf es keine Abstriche geben", sagte Weidmann kürzlich bei einer Veranstaltung in Frankfurt am Main.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mahnt für Europa ebenfalls höhere Schutzwälle gegen mögliche Spekulationen der Finanzmärkte an. Der Generalsekretär der OECD, Angel Gurria, sagte der Zeitung "Handelsblatt": "Wir müssen die Mutter aller Brandmauern bauen. Je dicker und eindrucksvoller sie ist, desto weniger wahrscheinlich ist es, dass wir sie brauchen." Die Gefahr, dass Spanien und Portugal die nächsten Opfer der Finanzkrise würden, sei keineswegs gebannt, so Angel Gurria. Die OECD ist der Zusammenschluss von 34 Industrienationen aus Europa und Asien. Mitglieder sind auch die USA und Australien.