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Umstrittener Flug

Das Interview führte Christine Elsaeßer18. Dezember 2006

Eine russische Transportmaschine bringt 300 Kilogramm Atommüll von Dresden nach Russland. Obwohl die Bundesregierung kein atomwaffenfähiges Material hätte weitergeben dürfen – sagt Thomas Breuer von Greenpeace.

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18 Transportbehälter mit Atommüll wurden in die russische Iljuschin geladen(Foto: dpa)
Eine Millionen Euro kostet der Atommülltransport von Rossendorf nach PodolskBild: picture-alliance/dpa

DW-WORLD.DE: Warum liefert Deutschland Uran nach Russland?

Thomas Breuer: Es handelt sich hierbei um hochangereichertes Uran, das noch aus der Zeit der ehemaligen DDR stammt. Damals wurden die Forschungsreaktoren der Sowjetunion, zu denen auch Rossendorf gehört, mit Uran aus der Sowjetunion bestückt. Das Uran gehört also dem russischen Staat und wird deshalb an Russland zurückgegeben, das war immer klar. Auch aus anderen Staaten, wie beispielsweise Ungarn, ist Atommaterial nach Russland zurücktransportiert worden. Das ist wohl weltweit in allen 20 Forschungsreaktoren, die zum sowjetischen Einflussgebiet gehörten, passiert oder wird noch passieren. Der Rücktransport ist auch kein rein sowjetisches Thema. Die Forschungsreaktoren, die in Westdeutschland betrieben wurden, sind aus den USA mit hoch angereichertem Uran versorgt worden. Das ist auch an die USA zurückgegangen.

Für das Land Sachsen lohnt sich der Transport nach Podolsk. Die Aufbewahrung in Rossendorf kostet das Land jedes Jahr eine Millionen Euro und wäre noch teurer geworden, bald hätte die Sicherheitstechnik aufwändig erneuert werden müssen.

Genau das darf niemals die Betrachtung bei Atommaterial sein. Das Thema Wirtschaftlichkeit bei so gefährlichen Stoffen ist das falsche Thema. Das Material ist hoch angereichertes Uran, das man zum Bau von Atombomben missbrauchen kann. Es wäre also die Pflicht der Bundesregierung gewesen, das Material hier im Land zu behalten. Sobald sie es aus den Händen gibt, gibt sie auch die Kontrolle aus den Händen. Deutschland ist durch das Kriegswaffenkontrollgesetz angehalten, kein Material, keine Technologie und kein Wissen weiterzugeben, was dem Bau von Atombomben dienen kann. Aber genau das hat die Bundesregierung hier gemacht und sie hat das Thema auch nie in der Diskussion erwähnt.

Glauben Sie, dass Russland das hochangereicherte Uran zum Bau von Atomwaffen verwenden wird?

Man wird nicht genau nachverfolgen können, was mit dem Uran in Russland wirklich passiert. Man kann nur Vermutungen anstellen. Als Erklärung ist abgegeben worden, dass das Uran wieder aufgearbeitet wird, um es in Brennstäben in Atomkraftwerken einzusetzen. Wo es genau landet, ist aber nicht klar. Dass es zum Bau von Atombomben verwendet wird, ist ein Risiko, dass es bei hochangereichertem Uran immer gibt. Im Moment ist es eher so, dass Russland extrem viele Atomsprengköpfe hat und diese modernisiert, also noch effizienter und noch gefährlicher macht, aber keine neuen Atombomben baut. Es ist aber eine Gefahr, die es gibt und die die Bundesregierung ausschließen müsste, bevor sie solches Material freigibt.

Was hätte man Ihrer Meinung nach mit dem Atommüll machen sollen?

Es wäre besser gewesen, das radioaktive Material in Rossendorf zu behalten und es, wenn es in Deutschland eine Möglichkeit der Endlagerung gibt, dorthin zu bringen. Wir gehen davon aus, dass die Sicherheitseinrichtungen in Rossendorf besser sind als in Russland. Außerdem glauben wir, dass das Material überhaupt nicht mehr in einem Atomreaktor verwendet werden sollte und das hätte man verhindern können, wenn es in Rossendorf geblieben wäre.

Der Atommüll ist von Rossendorf mit Lastwagen nach Dresden gefahren worden, von wo aus er mit dem Flugzeug nach Russland transportiert wird. Den Lufttransport hatten Umweltorganisationen für unverantwortlich erklärt. Warum?

Wenn man durch die Luft transportiert, hat man ein zusätzliches Risiko: Das Flugzeug kann abstürzen. Und wenn ein Flugzeug abstürzt, kann man nicht ausschließen, dass es zu einer Explosion oder einem Brand kommt und dadurch kann das Material weiträumig verstreut wird. Das ist ein Unfallszenario, das wahrscheinlicher ist, wenn es per Flugzeug transportiert wird, als wenn man es per Schiene oder per Straße transportiert. Ein Atomtransport an sich ist unverantwortlich, aber es auch noch durch die Luft zu transportieren ist besonders unverantwortlich.

(Foto: Greenpeace)
Bild: Linda Putzenhardt/Greenpeace

Thomas Breuer ist Diplombetriebswirt bei Greenpeace und beschäftigt sich mit Atomkraftwerken, der Weiterverbreitung von Atomtechnologie und der Energiewirtschaft.