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"Die Deutschen behindern Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wroclaw"

7. August 2003

– Begleitumstände des ungünstigen Umtauschkurses der Entschädigungsgelder für Zwangsarbeiter bleiben rätselhaft

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Warschau, 7.8.2003, RZECZPOSPOLITA, poln, Dorota Kolakowska

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Die Deutschen behindern das Ermittlungsverfahren bezüglich der Verluste, die die ehemaligen Zwangsarbeiter bei der Auszahlung von Entschädigungen durch den ungünstigen Wechselkurs der DM zum Euro und Zloty hinnehmen mussten. Die Bezirksstaatsanwaltschaft in Wroclaw (Breslau) wartet vergebens schon seit fast eineinhalb Jahren auf die Vernehmungsprotokolle aus Berlin mit den Aussagen der Beschäftigten der deutschen Stiftung.

Die Breslauer Staatsanwaltschaft hat sich schon im April 2002 an die Staatsanwaltschaft Berlin mit der Bitte um Akteneinsicht zum Geldumtausch gewandt, der von der deutschen Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" vorgenommen wurde. "Diese Dokumente wurden uns jedoch bis heute nicht zugänglich gemacht", sagt Staatsanwalt Wieslaw Bilski, Leiter der Ermittlungsabteilung bei der Bezirksstaatsanwaltschaft in Wroclaw und fügt hinzu: "Dadurch wird unsere Arbeit behindert. Ohne diese Akten können wir unsere Ermittlungen nicht fortführen".

Die Ermittlungen wegen des ungünstigen Umtauschkurses der DM wurden von der Staatsanwaltschaft in Wroclaw schon im Oktober 2001 eingeleitet, d. h. kurz nachdem die deutsche Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" den Betrag von 1,3 Milliarden DM zu einem ungünstigen Kurs von 3,3466 Zloty für einen Euro umgetauscht hatte.

Die polnischen Opfer des Dritten Reichs bekommen bis heute Beträge, die auf diesem Umtauschkurs basieren, obwohl ein Euro in Polen bereits über 4,3 Zloty kostet. Sie bekommen zwar auch den sogenannten Ausgleich, der aber nach dem gegenwärtigen Kurs des Euro nicht einmal die Hälfte der Verluste ausgleichen kann.

Das gesamte Geld für die Entschädigungen wurde von den Deutschen ohne vorherige Absprache mit der polnischen Stiftung umgetauscht. Die polnische Stiftung wurde erst danach telefonisch davon in Kenntnis gesetzt.

Die Staatsanwälte prüfen, ob die Entscheidung, das Geld zu diesem zu niedrigem Kurs umzutauschen, durch Versäumnisse auf der polnischen Seite erfolgte, oder ob sie aus einseitigen Aktivitäten der Deutschen resultierte. Aus diesem Grunde wandte sich die Staatsanwaltschaft Wroclaw nach der Vernehmung der Angestellten der polnischen Stiftung an die Staatsanwaltschaft Berlin mit der Bitte um sogenannte juristische Amtshilfe.

"Bei anderen Fällen früher gab es keinerlei Probleme bei der Zusammenarbeit mit den Deutschen. Die Anträge wurden sehr schnell bearbeitet und dies hat nicht länger als fünf Monate gedauert", erklärt Staatsanwalt Wieslaw Bilski.

Die Zeitung "Rzeczpospolita" versuchte selbst bei der Staatsanwaltschaft in Berlin nachzufragen. Wir wurden an eine kompetente Person verwiesen, die jedoch einige Tage telefonisch nicht erreichbar war. Das Pressebüro der Berliner Staatsanwaltschaft konnte unsere Fragen nicht beantworten. Wir wurden lediglich darüber informiert, dass es den Angestellten des Pressebüros nicht gelungen sei, irgendwelche Informationen zu diesem Thema zu bekommen.

Die polnische Seite wartet gespannt auf die Unterlagen über Anhörungen der Mitglieder des Vorstandes der deutschen Stiftung. Es handelt sich dabei um die Anhörung der Vorsitzenden Michael Jansen und Günter Saathoff sowie des Finanzdirektors der deutschen Stiftung, Hans Dreher. Die polnischen Staatsanwälte sandten einen Brief nach Berlin, der eine Fragenliste beinhaltet. Sie wollen erfahren, ob Hans Dreher als Angestellter der deutschen Stiftung gleichzeitig bei der Deutschen Bank beschäftigt war, die sich an diesem Geldumtausch beteiligte, und ob er von der Deutschen Bank Gehalt bekommen hatte.

Die Breslauer Staatsanwaltschaft bat auch um Unterlagen, die sich auf den Ankauf polnischer Währung durch die Dresdner Bank und die Commerzbank beziehen und um das Abkommen zwischen diesen Banken und der Deutschen Bank, die wiederum von diesen Banken Zloty gekauft hatte.

Schon im September 2002 schickte die Staatsanwaltschaft Wroclaw ein Erinnerungsschreiben an die deutsche Staatsanwaltschaft. Die Antwort kam nach drei Monaten, und zwar von der Justizkommission des Bundesrates. Die Deutschen informierten "mit Bedauern", dass auf die vollständige Zusammenstellung der Akten noch gewartet werden müsse. Dann verging ein halbes Jahr und die Staatsanwaltschaft Wroclaw sandte im Mai 2003 ein weiteres Erinnerungsschreiben. Bis heute gibt es aber keine Antwort aus Berlin.

Alle Zeugen, die mit den Aktivitäten der polnischen Stiftung Polnisch-Deutsche Aussöhnung zu tun hatten, wurden schon längst von der Staatsanwaltschaft Wroclaw gehört, darunter auch Bartosz Jalowiecki, der in dieser Zeit den Posten des Vorsitzenden der Stiftung bekleidet hatte, sowie Jan Parys, der damalige Finanzleiter der polnischen Stiftung.

Gegen keinen Beschäftigten der polnischen Stiftung wurden Vorwürfe erhoben. Das Ermittlungsverfahren dauert weiter an und wurde im Juni 2003 ein weiteres Mal bis Dezember 2003 verlängert. Das Verfahren könnte aber eigentlich zum Ruhen gebracht werden, weil die Staatsanwaltschaft Wroclaw ohne die Dokumente aus Berlin nicht weiter arbeiten kann. (Sta)