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"Die deutschen Fußballer sind Helden im Iran"

Das Gespräch führte Steffen Leidel16. Juni 2005

Seit Februar 2005 trainierte der ehemalige Bundesliga-Trainer Bernd Krauss die iranische Mannschaft Pegah Gilan. Jetzt kehrt er nach Deutschland zurück. Im DW-WORLD-Interview zieht er Bilanz über seine Zeit im Iran.

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Bernd Krauss: Vom Iran zurück nach DeutschlandBild: DPA/ASA/Christina Pahnke


DW-WORLD: Herr Krauss, wo stecken Sie gerade?

Ich befinde mich in Rascht, einer Stadt etwa 320 Kilometer nördlich von Teheran am Kaspischen Meer. Das ist eine sehr schöne Region - alles grün - hier gibt es sehr viel Tee- und Reisanbau. Das ist hier so der Stand der Dinge.

Sie kommen gerade vom Fußballtraining?

Ja, ich habe gerade das Training beendet, sitze im Clubhaus und trinke mein Glas Tee.

Wie lange sind Sie denn jetzt schon im Iran?

Ich bin seit Mitte Februar hier. Ich habe eine Mannschaft übernommen, die leider nicht mehr zu retten war. Ich sollte jetzt den Neuaufbau dieser Mannschaft und des Vereins betreiben, aber ich habe mich entschlossen, wieder nach Hause zu gehen.

Können Sie die Mannschaft Pegah Gilan etwas näher beschreiben?

Es ist eine Mannschaft, die in der ersten Liga spielt und auch unter meiner Regie sehr gut gespielt hat, nur haben wir leider keinen Stürmer gehabt. Der beste Torschütze hat, glaube ich, zwei Tore geschossen - das sagt eigentlich alles. Wir waren in vielen Spielen die überlegene Mannschaft, haben aber leider keine Tore machen können.

Das bedeutet, Sie sind jetzt definitiv abgestiegen?

Ja, ja.

Welche Bilanz ziehen Sie persönlich bezüglich Ihrer Zeit im Iran?

Wenn man in so ein Land kommt, weiß man überhaupt nicht, was einen erwartet. Ich war aber sehr positiv überrascht von diesem Land und seinen Bewohnern. Sie sind zu mir sehr offen und sehr gastfreundlich gewesen. Ich habe tolle Leute kennen gelernt und neue Freunde gefunden. Das Land ist eben auch sehr schön, und unterm Strich war es eine schöne Erfahrung. Das ist ein ganz anderes Leben hier als in Deutschland. Zum Beispiel, wenn man auf einen Basar geht, wo über Obst, Gemüse und Gewürze, über einfach alles gefeilscht wird.

Gibt es etwas, was Sie besonders schätzen gelernt haben?

Besonders die offene und gastfreundliche Art und Weise der Menschen, mit denen ich zu tun hatte. Dann sicherlich auch, dass man sich mittlerweile fußballerisch sehr an Deutschland orientiert, immer die Bundesliga beobachtet und einfach schaut, was der deutsche Fußball macht. Das fand ich positiv, für mich aber andererseits auch sehr lehrreich. Ich habe hier auch ein sehr sicheres Leben geführt. Man muss keine Angst haben. Auch als meine Frau zu Besuch war, ist sie alleine durch die Straßen gegangen. Keiner tut einem hier was. Das Thema Kriminalität in dem Sinne kenne ich hier nicht. Auf der anderen Seite lebe ich hier alleine und permanent im Hotel, und das ist ja nun auf Dauer auch kein Leben.

Haben Sie denn auch die Sprache gelernt, oder wie haben Sie sich im Iran verständigt?

Ich hatte einen Dolmetscher. Das ist ein Iraner, der seit über 20 Jahren in Hamburg lebt und der immer an meiner Seite war. Über ihn konnte ich mit den Leuten kommunizieren. Das ist aber natürlich auch immer was anderes, da ich die Leute nicht direkt ansprechen konnte.

Am Freitag finden im Iran Wahlen statt. Was haben Sie davon mitbekommen?

Ich habe nicht sehr viel mitbekommen, nur das, was hier in meinem Umfeld stattfindet. In dieser Stadt hier finden natürlich auch Wahlveranstaltungen statt. Und wenn ich mit den Menschen spreche, ist eigentlich Rafsandschani der große Favorit. Viele hoffen, dass er wieder an die Macht kommt. Man erhofft sich, dass sich die Lebensumstände ein bisschen verändern werden, wobei das nicht gravierend sein wird.

Inwiefern?

Weil nach wie vor der Einfluss der Mullahs zu stark ist. Allerdings sehe ich hier nachmittags im Cafe meines Hotels viele junge Menschen, auch viele junge Frauen, die mittlerweile auch bunte Kopftücher tragen, und insofern ist der Eindruck, den viele in Deutschland von diesem Land haben, sicherlich nicht ganz richtig. Dass alles nur schwarz ist und die Menschen vermummt rumlaufen, stimmt einfach nicht. Doch das ist der Eindruck, der bei uns vorherrscht.

Lesen Sie im zweiten Teil, was die Iraner vom deutschen Fußball halten und warum Bernd Krauss wieder zurück nach Deutschland will.

Welchen Eindruck haben denn die Jugendlichen im Iran von Deutschland? Wie stellen die sich die westliche Welt vor?

Man guckt oft etwas neidisch nach Westen. Man beneidet den dortigen Lebensstandard, den man teilweise im nicht erlaubten Satellitenfernsehen sieht. Dort sehen sie, wie im Westen die Menschen gekleidet sind, was für Autos gefahren werden und welche Häuser dort stehen, was auch immer. Auch meine Lebenseinstellung hat sich geändert. Das, was bei uns als Normalität angesehen wird, ist es in weiten Teilen der Welt eben nicht. Wenn ich hier ans Kaspische Meer fahre und auf den Reisfeldern Menschen mit völlig veralteten Maschinen arbeiten sehe, oder aber sehe, wie viele alte Menschen hier noch arbeiten müssen, dann bekommt man einfach wieder eine andere Lebenseinstellung. Die Menschen sind an diese Zustände hier natürlich gewöhnt, sie beklagen sich auch nicht.

Welche Rolle spielt denn Fußball im Iran?

Eine sehr große Rolle.

Wie äußert sich das? Neulich schrieb ein Journalist, die Iraner würden sich mehr für Fußball als für die Wahlen interessieren.

Das ist auch so. Der Iran hat in der vorletzten Woche zwei wichtige Qualifikationsspiele gegen Bahrain und Nordkorea gewonnen und sich damit als erste Mannschaft für die Weltmeisterschaft qualifiziert. Deshalb spielt Fußball hier eine ganz wichtige Rolle. Die Liga hier ist auch recht gut, wenn die Verhältnisse auch nicht so wie in Deutschland sind, insbesondere Stadien und Plätze kann man nicht vergleichen. Aber die Begeisterung der Leute. Ich war z.B. bei einem Derby in Teheran dabei, da waren über 100.000 Leute. Ganz besonders aber haben sich die Leute über die Nationalmannschaft gefreut. Die Qualifikation für die Weltmeisterschaft wurde unglaublich gefeiert. Die haben die Iraner aber auch verdient. Sie haben eine gute Mannschaft.

Und welchen Ruf genießt der deutsche Fußball im Iran. Ist Deutschland im Iran noch die große Fußballnation?

Ja. Hier zählt der deutsche Fußball noch enorm viel. Was bei uns niedergemacht wird, wird hier anders gesehen, die Bundesliga wird bewundert, und die Spieler sind für die Menschen hier Helden.

Wie geht es jetzt mit Ihnen weiter?

Ich habe am Montag hier noch ein Spiel und werde ab Dienstag wieder in Deutschland sein. In Deutschland sind ja alle Posten vergeben, und mein Name taucht da auch gar nicht mehr auf, so dass ich wahrscheinlich wieder versuchen werde, ins Ausland zu gehen.

Und warum bleiben Sie nicht im Iran?

Man hatte mir hier zwar einiges angeboten, was mich grundsätzlich auch interessiert hätte. Wohl auch, weil ich junge Spieler mit eingebunden hatte. Hier sollte in Umbruch stattfinden, und ich sollte ihn durchführen und den Verein mit organisieren, aber ich musste leider absagen, was mir für die Leute leid tut, die mir sehr ans Herz gewachsen sind. Aber ich muss auch an mein Leben denken. Das hier hat sehr viel Kraft gekostet. Alles muss man selbst organisieren, und für alles ist man verantwortlich. Man muss dem Verein helfen das Profigeschäft zu führen. Im Iran gibt es sehr viele Talente, auch in meiner Mannschaft. Ich habe drei junge Spieler hochgebracht. Das Potential ist schon vorhanden. Der Verein macht auch viel, hat unter anderem ein Trainingsgelände gekauft. Aber das entsteht eben erst alles.

Und auf was freuen Sie sich am meisten?

Dass ich eine kurze Hose anziehen kann.

Der 48-jährige Bernd Krauss war Bundesligatrainer u.a. von Borussia Mönchengladbach und Borussia Dortmund. Er trainierte außerdem Mannschaften in Spanien, Griechenland und Österreich.