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Die Doktorandin und die Proteste

3. Februar 2011

Sahra Gemeinder will in Kairo ihre Doktorarbeit schreiben. Dann begannen die Demonstrationen und die Doktorandin aus Süddeutschland wird ihre Arbeit jetzt wohl umschreiben müssen. Noch will sie in Ägypten bleiben.

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Demonstranten in Kairo (Foto: AP)
Bild: AP

Sahras Mutter ist Ägypterin, ihr Vater Deutscher und die 28 Jahre alte Doktorandin aus Ehingen kennt Kairo noch aus einer Zeit, als hier nicht protestier wurde. Sie hat hier eine Weile studiert. Seit wenigen Wochen ist sie wieder vor Ort.

DW-WORLD.DE: Frau Gemeinder, Sie kommen aus Süddeutschland, studieren Politikwissenschaft und sind in Kairo um Ihre Doktorarbeit über Wirtschaft und Politik in Ägypten zuschreiben. Müssen Sie die Arbeit jetzt umschreiben?

Sahra Gemeinder aus Ägypten vom Verein Freunde des Orients . Februar 2011 (Foto: privat)
Sahra GemeinderBild: Sahra Gemeinder

Sahra Gemeinder: Ich wollte und werde über die Privatisierung der ägyptischen Hochschullandschaft schreiben und über die Wirtschaftseliten die daran maßgeblich beteiligt sind. Jetzt muss ich abwarten welche Wirtschaftseliten übrigbleiben und inwiefern sich das Land in den nächsten zwei bis vier Monaten beruhigt oder in welche Richtung es sich entwickelt. Aber große Teile meiner Arbeit werde ich definitiv umschreiben müssen und ich werde darin verarbeiten, was hier gerade passiert.

Wir erreichen Sie zu Hause. Gehen Sie im Moment auch zur Uni?

Nein, die Universitäten sind geschlossen. Die deutschen Stipendiaten wurden auch zusammen getrommelt und sind jetzt, soweit ich weiß, alle in der Hauptzentrale des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Sie werden demnächst ausgeflogen oder sind bereits wieder in Deutschland.

Bekommen Sie direkt etwas von den Unruhen mit?

In meinem Viertel hat es sich beruhigt. Die Nachbarschaftswachen greifen hier sehr gut durch, insgesamt sehr friedlich und höflich, auch in Zusammenarbeit mit dem Militär. Ich fühle mich hier relativ sicher. Ich bleibe jetzt auch erstmal in meiner Wohnung und beteilige mich nicht an den Demonstrationen, auch meinen Eltern zuliebe, die sich sonst Sorgen machen.

Sind es tatsächlich hauptsächlich junge Leute und Studierende, die diese Proteste gerade vorantreiben?

Ja, es ist vor allem die desillusionierte Jugend, die einfach keine Zukunftsaussichten hat, und das hat eben die Mehrheit der Jugendlichen nicht. Es sei denn, man kommt aus einer reichen Familie. Viele Demonstranten sind junge Leute, gebildet, sie wollen Demokratie, einen Wandel, ein offenes Land.

Sie haben durch Ihre Mutter ägyptische Wurzeln. Wie ist da Gefühl dabei zu sein?

Einerseits ist es ein wunderschönes Gefühl, weil man sieht, dass endlich ein Wandel im Land stattfindet. Andererseits blutet einem das Herz, wenn man sieht, was das Regime gerade macht. Es geht unter und zieht dabei ganz bewusst das ganze Land mit in den Abgrund. Das tut weh.

Hat Ihrer Meinung nach Präsident Mubarak die Lage jetzt im Griff?

Nein, gar nicht mehr, die Lage ist völlig außer Kontrolle geraten. Internet und Handy funktionieren zwar inzwischen wieder, es wird aber gemutmaßt, dass das eine Taktik ist. So können sich eben auch die Anhänger von Mubarak organisieren und man kann andere Demonstranten in Misskredit bringen. Es wird zumindest gemutmaßt, dass das der Grund dafür ist, dass das Internet wieder funktioniert. Vielleicht ist aber auch der internationale Druck zu groß geworden.

Die Demonstrationen werden wahrscheinlich weitergehen. Haben Sie vor zurückzukommen oder werden Sie bleiben?

Ich habe jetzt mal einen Flug für Sonntag gebucht und gucke was hier passiert. Ob alles weiter eskaliert oder ob sich vielleicht beruhigt. Aber der Flug für Sonntag ist erstmal gebucht.

Das Gespräch führte Gaby Reucher

Redaktion: Marlis Schaum