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Zur Lage in Russland

14. Dezember 2011

Zehntausende Russen protestieren gegen Wahlmanipulationen. Das Europaparlament unterstützt mit einer Resolution die Forderung nach Neuwahlen zur Duma. DW-WORLD.DE sprach mit dem grünen Europaabgeordneten Werner Schulz.

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Portrait von Werner Schulz (Foto: Die Grünen)
Große Skepsis beim Europaabgeordneten Werner SchulzBild: Die Grünen

DW-WORLD.DE: Herr Schulz, Sie sind Vizevorsitzender des Parlamentarischen Kooperationsausschusses EU-Russland. Wird die Duma-Wahl Thema beim EU-Russland-Gipfel am 15. Dezember in Brüssel sein?

Werner Schulz: Das muss ein Thema sein, das EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Ratspräsident Herman Van Rompuy gegenüber Dmitrij Medwedew unmissverständlich ansprechen müssen. Der russische Präsident hat ja versprochen, dass die Unregelmäßigkeiten, Unstimmigkeiten und Verletzungen bei dieser Duma-Wahl am 4. Dezember überprüft werden. Man braucht dafür nicht allzu lange. Man kann sich auf den Bericht von ODIHR, also der OSZE-Wahlbeobachtungsmission stützen. Man kann sich auch auf die Ergebnisse von GOLOS stützen, der Nichtregierungsorganisation in Russland, die einen Großteil der Wahllokale in einem Monitoring mit überwacht hat.

Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass die absolute Mehrheit der Partei Einiges Russland, die ja nur hauchdünn war, nicht korrekt ist. Insofern muss es eine Wiederholung der Wahlen geben. Übrigens tut das der russische Staat in Südossetien, wo ihm die jüngsten Präsidentenwahlen nicht gefallen haben. Da werden aus anderem Grund die Wahlen im Moment wiederholt.

Was muss getan werden, um bei einer Wiederholung von echten Wahlen sprechen zu können?

Michail Gorbatschow (Foto: dapd)
Michail Gorbatschow fordert auch NeuwahlenBild: dapd

Ich kann eigentlich nur das wiederholen und unterstreichen, was Michail Gorbatschow (der frühere sowjetische Präsident, die Red.) gesagt hat. Das ist für mich eine sehr kompetente und authentische Stimme aus Russland. Er hat die Annullierung dieser Wahlen und Neuwahlen gefordert.

Gleichzeitig muss man sagen, dass der Wahlleiter Wladimir Tschurow kein Vertrauen mehr genießt und zurücktreten sollte. Es sollten die Parteien zugelassen werden, die man im Vorfeld der Duma-Wahl nicht registriert hat, darunter die Partei Volksfreiheit (PARNAS), in der sich die wesentlichsten Vertreter der Opposition vereinigt haben. So würde man wirklich echte Wahlen bekommen.

Die Teilnehmer der Demonstrationen haben ja gerufen: "Wir wollen keine Revolution, sondern wir wollen ehrliche Wahlen!" Darum geht es. Auf den Transparenten, die am Wochenende in Moskau zu sehen waren, stand: "Abgeordnete, wir haben euch nicht gewählt, die Wahl ist gefälscht!" Das heißt, dass dieses Parlament vom Souverän nicht legitimiert ist. Eine souveräne Demokratie ist das dann schon lange nicht.

Demonstranten (Foto: AP)
Russischer Protest für ehrliche WahlenBild: dapd

Gibt es weitere aktuelle Themen in den Beziehungen EU-Russland?

Die Duma-Wahl ist der Vorläufer für die Präsidentschaftswahlen. Auch da geht es letztendlich um die Machtfrage: wer regiert Russland weiter und wie wird Russland weiter regiert. Wird es ein demokratischer Staat werden oder wird diese Autokratie weiter gehen?

Ein anderes Thema ist der Beitritt Russlands in die Welthandelsorganisation WTO. Hier sind in den letzten Jahren und Monaten Fortschritte erzielt worden und ihm steht jetzt nichts mehr im Wege.

Ein schwieriges Thema ist beispielsweise der Fall Magnizkij - ein Rechtsanwalt, der völlig unschuldig ins Gefängnis gekommen und dort zu Tode geprügelt worden ist. Auch das wird in der Resolution aufgegriffen. Immer wieder müssen wir Russland Menschenrechtsverletzungen vorhalten. Aber das hat alles damit zu tun, dass sich dieses Land in einem Zustand einer gelenkten, einer imitierten, einer Schein-Demokratie befindet. Schein-Wahlen sind dann der Gipfel des Ganzen.

Wie steht es um die Frage eines visafreien Reiseverkehrs zwischen der EU und Russland?

Auch das ist eine Frage, die spontan vorankommen würde, wenn man den Eindruck hat, dass sich Russland auf einem guten politischen, demokratischen Entwicklungsweg befindet. Man ist all den Staaten von Seiten der EU doch entgegen gekommen, die sich jetzt im Rahmen des arabischen Frühlings hin zu demokratischen Staaten entwickeln. Hier gilt das Prinzip "More for more", das die EU betont. Sobald sich Fortschritte abzeichnen, sind wir bereit, das zu unterstützen und weitere Fortschritte mit zu befördern. Die Visafrage hängt natürlich auch an dem gesamten Komplex der politischen Wetterlage.

Das Gespräch führte Mikhail Bushuev
Redaktion: Markian Ostaptschuk/Sabine Faber