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Die "eiserne Dame" der Elfenbeinküste

Katrin Matthaei, Julien Adayé10. März 2015

Simone Gbagbo, Frau des ivorischen Ex-Präsidenten, ist zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht befand die ehemalige First Lady mitverantwortlich für die Gewaltwelle nach den Wahlen 2010.

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Elfenbeinküste Simone Gbagbo Prozess Foto: SIA KAMBOU/AFP/Getty Images
Bild: Sia Kambou/AFP/Getty Images

Beim Prozess gegen Simone Gbagbo in der Elfenbeinküste ging es um weit mehr als den mutmaßlichen Machtmissbrauch der ehemaligen First Lady: Es ging um die Spaltung eines ganzen Landes, das nach den blutigen Ausschreitungen zwischen 2010 bis 2011 bis heute politisch und gesellschaftlich zerrissen ist. Mit dem Urteil, das in der Nacht zum Dienstag (10.03.2015) fiel, wurde erstmals eine prominente Vertreterin des alten Regimes im eigenen Land verurteilt.

Die 65-jährige "eiserne Dame", wie sie von ihren Anhängern genannt wird, musste sich gemeinsam mit 82 weiteren Angeklagten verantworten. Ihr wurde vorgeworfen, die Sicherheit des Staates bedroht zu haben, als es nach den Präsidentschaftswahlen 2010 zu monatelangen Ausschreitungen kam. Auslöser war die Weigerung ihres Mannes, des Ex-Präsidenten Laurent Gbagbo, den Wahlsieg seines Kontrahenten und heutigen Präsidenten Alassane Ouattara anzuerkennen. Anhänger beider Lager gingen aufeinander los, mehr als 3000 Menschen starben.

Laurent Gbagbo wartet in Den Haag auf seinen Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof wegen seiner Rolle bei den Gewaltausbrüchen. Das Haager Gericht wirft auch Simone Gbagbo Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Die Côte d'Ivoire wollte sie aber nicht ausliefern, sondern den Prozess selbst im eigenen Land führen.

Elfenbeinküste Laurent und Simone Gbagbo Foto: SIA KAMBOU/AFP/Getty Images
Simone und Laurent Gbagbo im Februar 2011 als sie sich noch an die Macht klammertenBild: Sia Kambou/AFP/Getty Images

Wer ist Simone Gbagbo?

Simone Gbagbo war die sprichwörtlich berühmte starke Frau hinter dem starken Mann. Ihr ganzes Leben lang war die "eiserne Dame" politisch aktiv. Immer wieder wird gemunkelt, dass in Wahrheit sie die Entscheidungen traf - nicht ihr Mann. Im Exil gründeten beide 1982 die Ivorische Volksfront (FPI). Simone Gbagbo wurde mehrfach verhaftet und gefoltert. 1995 gelang ihr der Sprung ins Parlament. Fünf Jahre später errang ihr Mann das Präsidentenamt.

Als First Lady standen Simone Gbagbo Macht und Einfluss offen - und sie giff zu: Sie wurde stellvertretende Vorsitzende der Regierungspartei, Vorsitzende der Regierungsfraktion und Schirmherrin der Jugendorganisation der Partei. Als charismatische Rednerin begeisterte sie die Massen.

Ihr wird auch Machtmissbrauch vorgeworfen: Simone Gbagbo soll die Sicherheitskräfte zu politischen Zwecken genutzt haben. Immer wieder wird sie in Verbindung mit Todesschwadronen gebracht, die gegen Anhänger von Alassane Ouattara vorgingen. Bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen 2010 mobilisierte sie offenbar die Truppen und rief die Jugendpartei zur Errichtung von Straßenbarrikaden auf, um die Blauhelmsoldaten der UN-Mission in der Côte d'Ivoire (UNOCI) am Zugang zu Kriegsschauplätzen zu hindern. Die Vereinten Nationen hatten Ouattara als Wahlsieger anerkannt.

Rauch über Abijan Foto: Gbekide Barnus/Panapress
Die Ausschreitungen in Abijan begannen im Dezember 2010Bild: picture-alliance/dpa

Geteilte Lager

Dass sich diese ehemals einflussreiche Frau überhaupt vor Gericht verantworten musste, spaltet die ivorische Bevölkerung und Politik. Nach Angaben von Menschenrechtlern gehören von insgesamt 150 derzeit im Zusammenhang mit den Unruhen Inhaftierten nur zwei dem Lager von Präsident Ouattara an - obwohl auch dessen Unterstützer für die Eskalation der Ausschreitungen Verantwortung tragen. So warf Human Rights Watch im April 2011 beiden Seiten Mord, Vergewaltigung und das Niederbrennen von Dörfern vor.

Die ehemalige Regierungspartei FPI kritisierte noch während der Verhandlungen, der Prozess sei politisch motiviert: "Nach der Krise gab es Festnahmen auf beiden Seiten. Warum werden nur die Gbagbo-Anhänger vor Gericht gestellt und warum ausgerechnet jetzt?", fragt Michel Amani N'Guessan, Vorstandsmitglied der FPI im Gespräch mit der DW. Seine Partei lehnte den Prozess ab.

Von einer Amnestie wollen andere Ivorer dagegen nichts wissen. Der Sprecher der Regierungspartei Republikanischer Zusammenschluss (RDR), Joel N'Guessan, zeigte sich froh darüber, dass sich Simone Gbagbo vor Gericht verantworten musste: "Wir wünschen uns Transparenz und Gerechtigkeit für die Opfer. Und für deren Familien, die in einer Weise verletzt wurden, wie es niemals hätte geschehen dürfen."

Simone Gbagbo mit Soldaten im Hintergrund Foto: ISSOUF SANOGO/AFP/GettyImages
Die First Lady und ihre SicherheitskräfteBild: Getty Images

Hoffen auf Versöhnung

Viele Ivorer hoffen auf einen Versöhnungsprozess im Land. Die Aufarbeitung der Gewalt geht allerdings nur schleppend voran. Ein Abschlussbericht der Versöhnungskommission wurde von der Internationalen Liga für Menschenrechte als unzureichend kritisiert. Etwa hätten sich Angehörige der nationalen Armee den Befragungen entzogen, ihre Verantwortung für die Eskalation der Gewalt habe nicht geklärt werden können. Selbst der Präsident der Kommission, der ivorische Ex-Premier Charles Konnan Bany, bezeichnete das Ergebnis der Untersuchungen als enttäuschend.

Präsident Ouattara wirft seinen Stimmzettel bei einer Kommunalwahl in die Wahlurne Foto: ISSOUF SANOGO/AFP/Getty Images
Auch beim Lager des heutigen Präsidenten Alassane Ouattara sehen Menschenrechtler eine Verantwortung für die GewaltBild: Issouf Sanogo/AFP/Getty Images

Und Ex-Präsident Laurent Gbagbo? Er will am liebsten wieder kandidieren. Einen entsprechenden Antrag hat er aus der Haftanstalt in Den Haag geschickt. Im Oktober finden Präsidentschaftswahlen statt. Die ivorische Justiz hat seine Kandidatur aber abgelehnt.

Aktualisierte Version eines Artikels vom 06.01.2015