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Die engen religiösen Pfade der Salafisten

Sabine Hartert9. September 2012

Es gibt viele Strömungen im Islam. Eine davon ist der Salafismus. Im Westen befürchten viele den Vormarsch dieser Form des Islam, aber nur wenige kennen Hintergrund und Ziele der ultrakonservativen Bewegung.

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Verschleierte Frauen auf einer salafistischen Demo in Hessen im Juli 2011 (Foto: DPA)
Bild: picture-alliance/dpa

"Anklage gegen Messer-Islamist erhoben" lautete kürzlich die Schlagzeile einer deutschen Boulevard-Zeitung. In der kleinen Überschrift darüber stand noch "Salafisten-Demo". Ähnliches ist in der Klatschpresse häufig im Zusammenhang mit Anhängern einer der konservativsten Ausprägungen des sunnitischen Islam zu lesen. Während sich in Deutschland die Salafisten mit der Verteilung kostenloser Koranexemplare Aufmerksamkeit verschafften, gewinnen sie in den Ländern des Arabischen Frühlings politischen Einfluss. Beispiele sind Ägypten, Tunesien oder Libyen.

Rückbesinnung auf alte Traditionen

Salafismus ist das eingedeutschte Wort für den arabischen Ausdruck "salafiyya", der sich von "as-salaf as-salih" ableitet, die frommen Altvorderen. Ein Begriff aus der Zeit der frühen islamischen Gemeinde in Mekka und Medina im 7. Jahrhundert. In der islamischen Welt sind Zeugnisse und Lebensweise des Propheten Mohammed und seiner Gefährten sowie von deren Nachfolgern wichtige Eckpunkte für die Ausgestaltung aller Lebensbereiche. Bis heute haben diese ihre Gültigkeit, werden aber von den verschiedenen Strömungen des Islam unterschiedlich ausgelegt.

Der ägyptische islamistische Gelehrte Hazem Salah Abu Ismail (Foto: REUTERS)
Der ägyptische islamistische Gelehrte Hazem Salah Abu IsmailBild: Reuters

Die Salafisten, die sich wiederum in Gruppen mit verschiedenen politischen Ausrichtungen differenzieren lassen, pflegen eine doktrinäre Auslegung des islamischen Glaubens. Sie versuchen in allen Lebenslagen dem Vorbild des Propheten Mohammed nachzueifern und nach einem idealisierten Bild der urislamischen Gesellschaft zu leben. Sie stützen sich dabei auf die wenigen Quellen, die aus dieser Zeit existieren: den Koran und die Sunna. Letztere ist eine Sammlung überlieferter Taten und Aussagen Mohammeds.

Der Islamwissenschaftler Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik unterscheidet drei Gruppen von Salafisten: die Puristen, die Politischen und schließlich die Ideologischen.

Salafisten verteilen kostenlose Koranexemplare in Offenbach am Main (7.4.2012) (Foto: dapd)
Salafisten verteilen kostenlose Koranexemplare in Offenbach am MainBild: dapd

Das weite Spektrum zwischen religiös und radikal

"Die Salafisten unterscheidet nicht notwendigerweise die Art und Weise, wie sie ihre Religion nach außen darstellen", sagte Steinberg im Gespräch mit der Deutschen Welle. Es gebe durchaus solche, die sehr unaufdringlich agierten und sich auf eine private Religionsausübung beschränkten. Meist seien dies Puristen, die in der Mehrheit unpolitisch seien. Als Beispiel nennt er einen ihrer einflussreichsten Prediger, Mohammed Nasiruddin Albani. Der hatte den Palästinensern einst empfohlen, ihr Land zu verlassen. Unter israelischer Herrschaft könnten sie nicht als wahre Muslime leben, argumentierte Albani. Die wahre Lehre aber sei wichtiger als das palästinensische Territorium.

Davon heben sich die politischen und die dschihadistischen Salafisten deutlich ab. Beide Gruppen orientieren sich ebenfalls an der Lebensweise der Altvorderen, haben aber eindeutige politische Ziele. In den politischen Argumentationen spielten der islamische Staat und politische Systeme eine wichtige Rolle, so Steinberg. Stellenweise seien bei den politischen Salafisten die Grenzen zum Islamismus fließend, dessen Ziel die Errichtung islamischer Staaten sei. Andererseits kritisierten sie, dass zum Beispiel Muslimbrüder versuchten, über politische Prozesse wie Wahlen an die Macht zu kommen und die "reine Lehre hintanzustellen". Die dschihadistischen Salafisten schließlich "befürworten vorbehaltlos bewaffnete Gewalt gegen Feinde des Islam". Steinberg ergänzt, dass nicht alle Dschihadisten auch Salafisten sind, aber seit dem 11. September 2001 habe sich die Verbindung der beiden Ideologien verfestigt.

Verfassungsschutz will wachsamer sein

Ausgeprägter Wille zum Missionieren

In Deutschland gibt es nach Einschätzung des jüngsten Verfassungsschutzberichts derzeit etwa 3800 Menschen, die der salafistischen Bewegung zugerechnet werden. Die meisten davon gehörten keinem Terrornetzwerk an. Der Islamwissenschaftler Steinberg glaubt, dass diese Zahl zu niedrig angesetzt ist: Er geht davon aus, dass es zwischen fünf- und zehntausend Anhänger in Deutschland gibt. Der Verfassungsschutz beschreibt die salafistische Bewegung als die dynamischste im islamistischen Spektrum. Vor allem für junge Leute werde die Ideologie weltweit immer attraktiver, sagt Steinberg. Die Ursache dafür sei zwar noch nicht hinreichend erforscht. Zweifellos würden aber die Prediger immer professioneller und überzeugender. Sie beherrschten die Jugendsprache und nutzten moderne Medien wie das Internet zur Vernetzung und zur Erreichung eines ihrer Ziele: Die salafistische Lehre weiter zu verbreiten, also nicht-salafistsiche Muslime und Nicht-Muslime zu missionieren. In letzter Konsequenz soll nach dem Willen der Salafisten ein "Gottesstaat" errichtet werden.

In der arabischen Welt haben Salafisten auch im Zuge der "Arabellion" ihre Einflusssphären ausbauen können. An der Existenz dieser Bewegung werde kaum ein Staat etwas ändern können, sagt Steinberg. Für ihn ist daher die Kernfrage, "wie wir verhindern können, dass junge Leute aus dieser Bewegung in den Untergrund abrutschen."