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Tschechien vor EU-Vorsitz

Das Interview führte Christian Trippe18. Dezember 2008

Im Januar übernimmt Tschechien die EU-Ratspräsidentschaft. Im DW-Interview spricht Außenminister Karel Schwarzenberg über konkurrierende Ziele, den Umgang mit der Finanzkrise und mögliche EU-Erweiterungen.

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Tschechiens Außenminister Karel SchwarzenbergBild: picture-alliance/ dpa

DW-RADIO: In wenigen Tagen übernimmt Tschechien die Präsidentschaft in der europäischen Union. Herr Außenminister, was sind Ihre Ziele, die Sie sich für diese sechs Monate gesteckt haben?

Karel Schwarzenberg: Die Ziele, die wir uns ursprünglich gesetzt haben, sind ja bekannt: Einerseits die Förderung der östlichen Nachbarschaft, zweitens den Integrationsprozess des Westbalkans voranzutreiben und drittens ein Europa ohne Barrieren. Ein liberaleres Europa, ein Europa das sich nicht verschließt, sondern sich allen Herausforderungen stellt. Wie es nun inzwischen mehreren Präsidentschaften passiert ist, dass vielleicht unsere Präsidentschaft von anderen Dingen abhängen wird. Die wirtschaftliche Krise ist nicht mehr am Horizont, sondern trifft voll in Europa ein. Ich fürchte, das wird einen wesentlichen Teil von der Präsidentschaft einnehmen. Damit werden wir uns auseinandersetzen müssen. Kurz und gut, man kann sich am Anfang der Präsidentschaft sehr viel vornehmen, das Leben diktiert anderes.

Die Weltwirtschaftskrise war nicht absehbar, als Frankreich übernommen hat. Sie erben dieses Problem im Führungssessel der EU. Wie sind da Ihre Erwartungen? Wie schlimm wird diese Krise noch?

Das müssen wir sehr ernst nehmen müssen. Das bedeutet nicht, und darauf möchte ich Gewicht legen, dass wir in Panik verfallen sollten. Das wäre in dieser Situation ungefähr das Falscheste, was man tun kann. Man sollte bewährte Regeln der Volkswirtschaft oder Finanzwirtschaft nicht einfach in der Panik über Bord werfen. Wir sollten uns bewusst sein, dass Notmaßnahmen manchmal notwendig sind. Und wenn ich mir heute ein Bein breche, muss ich akzeptieren, dass ich für einige Zeit einen Gipsverband tragen werde. Aber wir alle wissen, wenn man einen solchen Gipsverband zu lange trägt, dann erschlaffen die Muskeln, verkümmern sie. Wichtig sind nur zielgerichtete Maßnahmen zur Bewältigung der Krise.

Zweites wichtiges Thema: das Verhältnis zu den Nachbarn in Osteuropa. Was heißt das konkret? Sollen Länder wie die Republik Moldau oder die Ukraine an eine Mitgliedschaft in der EU herangeführt werden?

Das wird noch sehr lange dauern, fürchte ich, sehr, sehr lange. Aber ich glaube, es ist von unserem höchsten Interesse, dass diese Perspektive erhalten bleibt. Es ist ja ein Reformmotor, das ist eine wirkliche Motivation. Ob es die Weststaaten betrifft oder ob es auch diese Staaten betrifft, ist diese Perspektive die stärkste Motivation, die notwendigen Reformen zu unternehmen. Und diese Reformen, bitte, sind auch von unserem höchsteigenen Interesse. Wir vergessen hier immer wieder in der Diskussion, dass das, was wir da machen, ja nicht eine karitative Tätigkeit ist, nicht eine Tätigkeit ausschließlich zum Vorteil dieser Länder und Staaten, sondern dass wir hiermit auch Schwierigkeiten zuvorkommen, die wir sonst unweigerlich haben würden.

Welche Rolle spielt Russland in diesem Konzept? Ist es bloß ein strategischer Energielieferant oder gehört Russland, gehört Moskau, auch zu diesem Konzept politischer Partnerschaft?

Russland ist und bleibt eine Welt für sich, mit der wir ein gesundes, partnerschaftliches Verhältnis suchen sollen. Was nicht ganz einfach ist, weil, sagen wir, gewisse Entwicklungen in Russland selber die Rückkehr zu einem autoritären System uns Sorgen macht. Wir sind auch besorgt über gewisse revisionistische Äußerungen, die uns auch etwas beunruhigen. Das ändert nichts an der Tatsache, dass Russland nicht nur als Energielieferant, sondern auch in der Sicherheitsdiskussion, in unzähligen Elementen der lokalen Politik und der Weltpolitik ein notweniger Partner ist, mit dem wir einen Dialog suchen und führen sollten. Nicht unter allen Bedingungen, das ist natürlich klar, und wir müssen unsere eigenen Prinzipien sehr wohl dabei wahren. Aber ein Gespräch mit Russland ist immer nützlich und immer notwendig.