1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die EU-Referenden waren nur der erste Schritt

Bernd Riegert21. September 2003

Mit dem Referendum in Lettland über den EU-Beitritt des Landes ging am Samstag (20.9.) eine lange Serie von Volksabstimmungen zu Ende. Auf dem Weg zu einer größeren Europäischen Union warten jedoch weitere Hürden.

https://p.dw.com/p/45aJ
Die lettische Präsidentin Vaira Vike-Freiberga bei der Abstimmung für den EU-BeitrittBild: AP

Nach den Referenden folgt nun als nächster Schritt die Ratifizierung des Beitrittsvertrages durch die Altmitglieder. Dies wurde bereits in Dänemark und Deutschland getan und dürfte auch in den übrigen 13 Staaten keine Probleme machen. Die Erweiterung der EU auf dann 25 Mitglieder ist zum 1. Mai 2004 vorgesehen.

Parallel zur Vorbereitung des "Big Bang", also zur größten Erweiterungsrunde, die die EU je vollzogen hat, findet das Tauziehen um die Europäische Verfassung statt. Sie soll die Grundlage für ein Funktionieren der Union aus 25 Staaten sein. Vom 4. Oktober 2003 an verhandeln alle 25 Regierungen in Rom über Politikziele und Institutionen. Grundlage ist der Kompromissvorschlag, den der EU-Verfassungskonvent im Juli vorgelegt hat. Zahlreiche kleinere Staaten, aber auch Spanien und die EU-Kommissionen haben eine lange Liste von Änderungswünschen präsentiert.

Schaurige Erinnerung

Sollte es der Regierungskonferenz nicht gelingen, Stimmengewichtung, Mehrheitsentscheidungen, die Zusammensetzung der EU-Kommission und andere Streitpunkte neu zu ordnen, fürchten Skeptiker, dass das ganze Vorhaben scheitern könnte. Mit Schaudern erinnern sich die EU-Fachleute in Brüssel an die Regierungskonferenz und den Gipfel von Nizza im Jahr 2000. Dort kämpfte jeder Staat für sich selbst, so EU-Kommissionspräsident Romani Prodi. Der Vertrag von Nizza brachte nicht den notwendigen Reformschub für eine sich vergrößernde EU.

Die Frage ist vor allem, wie sich das zu erwartende Ringen zwischen Supra-Nationalisten - also Politikern, die möglichst viel Entscheidungsbefugnisse an die EU-Gremien übertragen wollen - und Inter-Governmentalisten - also jenen, die die Entscheidungsgewalt bei den Nationalstaaten belassen wollen - auf die öffentliche Meinung in den 25 EU-Staaten auswirken wird. Denn die Serie von Referenden wird weitergehen.

Wackelkandidat Dänemark

Die EU-Verfassung, die neue rechtliche Grundlage der Union, muss in mindestens fünf alten Mitgliedsstaaten und in fast allen Beitrittsländern eine Volksabstimmung überstehen. Besonderer Wackelkandidat ist Dänemark. Denn die Dänen lehnten im Juni 1992 beim ersten Anlauf den Maastricht-Vertrag ab, der die Wirtschafts-, Währungs- und Sozial-Union schuf. Und sie lehnten ebenso per Referendum die Einführung der Gemeinschaftswährung Euro ab. In Frankreich fiel 1992 die Zustimmung zum Maastricht-Vertrag nur äußerst knapp aus. Frankreichs Staatspräsident Chirac zögert deshalb noch, über die EU-Verfassung ein Referendum anzusetzen.

Sollte nur ein einziges Land der EU-Verfassung nicht zustimmen, kippt das ganze Vorhaben, meinen Sprecher der EU-Kommission. Der Präsident des ehemaligen EU-Konvents, Valerie Giscard d'Estaing, sagt dagegen: Ein Land, das nicht zustimmt, entscheidet sich automatisch für seinen Austritt aus der Europäischen Union. Ein Fall, der in den bisherigen EU-Verträgen nicht vorgesehen ist und sicher eine schwere politische Krise in Brüssel auslösen würde.

EU-Image leidet

Das Bild der Wählerinnen und Wähler von der Europäischen Union wird derzeit von den quälenden Debatten über eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gekennzeichnet, die immer noch in weiter Ferne liegt. Mit der schleichenden Aufweichung des Stabilitätspaktes und der Verschuldungsgrenzen, die derzeit von Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac betrieben wird, könnten die beiden Europa einen Bärendienst erweisen, sagen die Meinungsforscher von Gallup voraus. Die Betonung der deutsch-französischen Achse und die jüngste Wirtschaftsinitiative verprellt viele kleinere Staaten. Sie beklagen, dass diese Themen in den EU-Gremien nicht ausreichend abgesprochen worden seien.

Im Jahr 2005 soll die EU-Verfassung, wenn alles planmäßig läuft, ratifiziert werden und in Kraft treten. Bereits 2007 steht die nächste Erweiterungsrunde an. Bulgarien und Rumänien sollen aufgenommen werden, falls sie die Kriterien erfüllen. Bis Ende 2004 will die EU entscheiden, ob sie mit der Türkei Beitrittsverhandlungen aufnimmt. Nach 2007 soll der Erweiterungsprozess dann auf den Balkan, auf Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien-Montenegro, Mazedonien und Albanien ausgedehnt werden.