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Notkredite für Rumänien?

Das Interview führte Andreas Noll11. März 2009

Rumänien hat als drittes Land die EU und internationale Institutionen um Notkredite gebeten. Die Verhandlungen laufen bereits. Im Interview ist Thomas Mirow, Chef der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung.

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Porträt von Thomas Mirow (Foto: EBRD)
Thomas Mirow ist Präsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Archivfoto: 2008)Bild: EBRD

DW-WORLD.DE: Herr Mirow, nach Ungarn und Lettland benötigt jetzt auch Rumänien einen Notkredit. Wie dramatisch ist die Lage dort?

Thomas Mirow: Die Lage ist sicher schwierig. Die Gespräche sind noch nicht abgeschlossen, aber Rumänien galt ja seit Längerem als ein Land mit besonderen Risiken, die sich aus einer sehr hohen Verschuldung in Fremdwährung ergeben haben. Der Druck auf die eigene Währung war seit Langem hoch, und insofern wäre ein rechtzeitiges Hilfesuchen gegenüber dem IWF nur folgerichtig und sicher in der Lage, zur Stabilisierung des Landes beizutragen.

Befürchten Sie jetzt einen Dominoeffekt, dass noch weitere Länder betroffen werden?

Nein, das tue ich nicht, weil die Lage in den Ländern durchaus unterschiedlich ist. Allerdings bin ich der Meinung, dass es sinnvoll ist, rechtzeitig mit dem IWF in Verbindung zu treten. Internationale Investoren wissen dies normalerweise zu schätzen. Und es macht mehr Sinn, wenn es denn notwendig ist, das frühzeitig zu tun, als zu lange zu warten und zum Beispiel längere Phasen der Abwertung der eigenen Währung erst einmal hinzunehmen.

Wie kann man denn aus Ihrer Sicht die Lage entschärfen? Was ist der beste Weg?

Blick auf die rumänische Hauptstadt Bukarest (Foto: Cristian Stefanescu)
Als drittes EU-Land hat Rumänien Notkredite beantragtBild: DW

Es ist nicht einfach, weil es eben unterschiedliche Problemursachen gibt. In einigen Ländern ist der Finanzsektor selbst schwach ausgebildet, verletzlich und für krisenhafte Zuspitzungen empfänglich. Andere Länder haben einen relativ robusten Finanzsektor, wie etwa Polen, und sind stärker durch die realwirtschaftliche Entwicklung betroffen, etwa die Entwicklung der Automobilindustrie in Westeuropa.

Sollte der EU-Krisenfonds aufgestockt werden, so wie es einige Politiker fordern?

Darüber hat es ja offenbar am Dienstag (10.03.2009) eine erste Debatte im Rat der Finanzminister gegeben. Ich denke, zunächst einmal ist es wichtig, dass dieser Fonds für die Länder genutzt wird, die ihn gern in Anspruch nehmen würden. Wenn er dann erschöpft sein sollte, wäre es sicher klug, zusätzliche Mittel in die Hand zu nehmen. Aber noch sind offenbar genügend Mittel vorhanden.

Das heißt, Sie glauben, die derzeitigen Hilfen für Osteuropa reichen aus?

Nein, ich denke, man kann und sollte durchaus noch mehr tun. Jeder in seinem Bereich. Vor allen Dingen denke ich, dass es wichtig ist, dass sowohl auf der Ebene der EU - dazu wäre Gelegenheit bei dem Gipfeltreffen in einer guten Woche - als auch bei dem G20-Gipfel am 2. April hier in London die Staats- und Regierungschefs deutlich machen, dass sie wirklich entschlossen sind, für die Länder Mittel- und Osteuropas einzutreten.

Nun vermute ich: "Deutlich machen" heißt nicht nur Worte sagen, sondern Sie erwarten auch Taten. Welche Taten?

Das Logo des Internationalen Währungsfonds
Der IWF, die Weltbank und die Osteuropa-Bank sollten in ihrer Arbeit weiter unterstützt werden

Die Mittel der EU, die Sie angesprochen haben, sind ein Element. Ein zweites Element ist, dass man IWF, Weltbank und uns als Osteuropa-Bank bei unseren Aktivitäten, die wir ja unternommen haben und weiter unternehmen, um diesen Ländern zu helfen, ermutigt und stützt. Es kann auch ein Thema geben, das die Europäische Zentralbank noch zusätzlich tun kann.

Wäre es nicht eine gute Idee, die Euroeinführung in Osteuropa zu forcieren, um dort für mehr Stabilität zu sorgen?

Ja und nein. Ja in dem Sinne, dass die Perspektive für einen Eurobeitritt ein positives Signal ist. Nein in dem Sinne, dass aus meiner Sicht die Kriterien nicht aufgeweicht werden sollten, weil sonst das Vertrauen in die Stabilität des Euro insgesamt Schaden nimmt. Ich denke, man wäre gut beraten, darüber nachzudenken, ob man zum Beispiel bestimmte Fristen verkürzen kann. Aber die harten Kriterien sollten bleiben.

Sie sprechen von Stabilität. Wie groß ist die Gefahr eines Staatsbankrotts in der Region?

Aus heutiger Sicht besteht diese Gefahr nicht.

Warum ist Osteuropa eigentlich derart in die Schieflage geraten? Viele Staaten haben doch genau nach den Konzepten der westlichen Finanzexperten ihre Regierungen, ihr Staatswesen reformiert.

Osteuropa ist, was die Märkte angeht, schon stark integriert. Es hat zum Beispiel seine Grenzen für westeuropäische Banken geöffnet, aber es ist politisch und was die Einbeziehung etwa in der Eurozone angeht eben noch nicht so weit. Das heißt: Die politische Integration hinkt der Marktintegration hinterher. Und der zweite Grund ist: Mittel- und Osteuropa sind in der Realwirtschaft sehr stark abhängig von bestimmten Schlüsselindustrien, etwa der Automobilindustrie in Westeuropa. In dem Maße, in dem wir zusätzlich zur Finanzkrise und zur allgemeinen Wirtschaftskrise auch noch ganz speziell eine Strukturkrise im Automobilbau weltweit haben, sind Länder wie Ungarn, die Tschechische Republik und die Slowakei stark betroffen, die sehr stark von Exporten generell, aber ganz besonders auch im Bereich der Automobilwirtschaft leben.

Haben die Osteuropäer das Gefühl, dass sie vom Westen in dieser Krise vernachlässigt werden?

Ich denke, gegenwärtig ist das noch nicht der Fall. Aber ich meine, wir haben im westlichen Europa Anlass, das genau zu beobachten und diese Entwicklung gar nicht erst eintreten zu lassen. Es ist ja ein auch symbolisch ein wichtiges Jahr, in dem wir sind. 2009 - 20 Jahre Fall der Berliner Mauer. Wir alle haben in Erinnerung, welchen Beitrag etwa Ungarn zu dieser Entwicklung geleistet hat. Da darf man diesen Eindruck, den Sie als Risiko angesprochen haben, gar nicht erst entstehen lassen.

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