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Die EU sollte ihre Möglichkeiten nicht überschätzen

Rainer Sollich4. April 2002

Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana und der spanische EU-Ratspräsident Josep Piqué bemühen sich vor Ort um Entspannung im Nahost-Konflikt. Allerdings haben sie nur dort begrenzten Einfluss, meint Rainer Sollich.

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Es gibt derzeit kaum Hoffnung. Solange Israels Regierungschef Ariel Scharon und Palästinenserpräsident Jassir Arafat sich als Feinde gegenüberstehen, solange nur noch Waffen sprechen, immer mehr Unschuldige sterben und der Palästinenserchef, eingekesselt von Panzern, um sein Leben fürchten muss, während Israel alle Vermittlungsangebote brüsk ablehnt - solange sind alle Einflussmöglichkeiten von außen begrenzt.

Die UN und auch die USA scheinen in der jetzigen Lage ratlos. Erst recht die Europäische Union. Sie scheint sich inzwischen keinerlei Illusionen mehr über ihre begrenzten Einflussmöglichkeiten in der Region zu machen. Trotzdem ist es gut, dass die EU jetzt schnell reagiert und eigene Vertreter in die Krisenregion entsendet. In der jetzigen kriegsähnlichen Situation zählt jede Initiative - auch wenn die Erfolgsaussichten, vorsichtig ausgedrückt, eher ungewiss sind.

Auch der von EU-Komissionspräsident Romano Prodi eingebrachte Vorschlag für eine internationale Nahost-Konferenz weist in die richtige Richtung. Denn Prodi hat ja recht: Die alleinigen Vermittlungsbemühungen der USA sind gescheitert. Israel hat den Vorschlag zwar zurückgewiesen. Aber die EU sollte sich davon nicht beirren lassen und sich zusammen mit anderen Akteuren für den Plan stark machen. Dabei muss sie neben gemäßigten arabischen Staaten und Israel selbst vor allem versuchen, die Amerikaner mit ins Boot holen. Denn was derzeit im Nahen Osten passiert, verlangt nach einer Antwort der gesamten internationalen Gemeinschaft. Und wenn einer dabei auf gar keinen Fall fehlen darf, dann die Macht, die faktisch am meisten Einfluss geltend machen kann - die USA.

Die neuen EU-Initiativen sind aus Not und Verlegenheit geboren. Aber sie zeugen von Realitätssinn. Die Europäische Union könnte noch so sehr mit einer Stimme sprechen - im Nahen Osten kann sie nicht viel mehr ausrichten als generell für Mäßigung zu werben und zusammen mit anderen Akteuren Initiativen anzustoßen. Zu allem anderen fehlen der EU das weltpolitische Gewicht und - auf Seiten Israels - die Glaubwürdigkeit. All zu lange haben die Europäer in Arafat einen Politiker sehen wollen, der eher mäßigend auf die radikalen Kräfte unter den Palästinensern einwirkt. Der PLO-Chef erscheint ihnen auch jetzt wieder als Opfer. Aber zur neuerlichen Eskalation in Nahost hat auch er unverantwortlich viel beigetragen.

Trotzdem: Europäer und andere protestieren jetzt zu Recht vor allem gegen das israelische Vorgehen. Denn die Palästinensergebiete mit Gewalt zu überziehen und Arafat ins Exil vertreiben zu wollen - das lässt den Konflikt gefährlich eskalieren, Ausgang ungewiss. Scharon beschreitet einen Weg, der die ganze Region in Brand setzen und gerade auch Israels eigene Sicherheitslage weiter verschärfen könnte.

Israel ist weitgehend resistent gegen Druck aus Europa, und auch die Palästinenser lassen sich im Zweifel eher von den USA beeindrucken. Die beste Chance ist, mit anderen Akteuren an einem Strang zu ziehen. Die Europäer müssen dabei vor allem auf Washington einwirken. Und versuchen, die USA für eine ausgewogenere Haltung und für ein entschiedeneres Engagement im Nahen Osten zu gewinnen.

Möglichst schnell - bevor die Lage völlig außer Kontrolle gerät.