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Die EU und das Verantwortungsverschiebemeldesystem

Alexander Kudascheff 25. Januar 2006

Brüssel gewöhnt sich wieder ans Arbeiten. Aber noch läuft der Apparat schwerfällig an. Um sich wieder einzugewöhnen, gibt es aber überall Neujahrsempfänge mit den üblichen Sektkelchen und den noch üblicheren Reden.

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Unisono hört man auf dem europäischen diplomatischen Parkett: Europa ist in der Krise. Zwar nach der Einigung übers Geld nicht mehr so schlimm wie davor, aber trotzdem. Keine Verfassung, ein tiefes Misstrauen der Bürger gegenüber den Institutionen, ein noch tieferes Misstrauen der Bürger gegenüber der Erweiterung - da, so wird eifrig versichert, müsse gegengesteuert werden. Durch Öffentlichkeit, durch Debatten, durch Diskussionen - so als seien alle Bürger nur deswegen gegen die Erweiterung, weil sie zuwenig wüssten. Die Möglichkeit, sie wüssten zuviel, oder zumindest genug, wird erst gar nicht eingeräumt. Man müsse die Bürger mitnehmen, hört man auf den Empfängen der europäischen Eliten, auf denen natürlich wenig Bürger sind. Und die Eliten Europas - sie können alles - nur nicht sich vorstellen, dass man gegen Europa sein könne. Gegen die Kommission, gegen das Parlament, sogar gegen die Verfassung. Wer so was behauptet - steht in Brüssel schnell am Pranger als Europafeind und natürlich auch als Verfassungsfeind.

Oder doch das Subsidiaritätsfrühwarnsystem?

Und sonst, während man sein Häppchen isst, einen Wein trinkt oder ein Bier stürzt, ist man sich einig, man müsse auf die Bürger zugehen. Ihre Sorgen ernst nehmen. Und das gehe nur, wenn Europa von unten aufgebaut wird. In der Sprache der Eurokraten und der katholischen Theologen: subsidiär. Also: Wer für etwas zuständig ist, muss das Problem lösen und nicht eine höhere Ebene. Und wenn dieses Prinzip verletzt wird (und man kann wohl davon ausgehen, das geschieht ständig) - dann braucht man - ja dieses Wortungetüm ist wirklich gefallen und soll nun erörtert werden - ein Subsidiaritätsfrühwarnsystem. Wenn der Bürger von diesem verbalen Monstrum nicht erschlagen ist, dann wird er sich sicher Europa wieder zuwenden. Um dann zu erfahren, was eigentlich der Normalfall ist: Wer immer für eine Frage zuständig ist, aber sie nicht lösen kann, schiebt die Dinge gerne auf die nächst höhere Ebene - und von dort geht es immer weiter bis ganz nach oben. Ganz zu schweigen von der Lust "da ganz oben" alle Dinge selber regeln zu wollen. Vielleicht sollte man also das europäische Subsidiaritätsfrühwarnsystem durch ein Verantwortungsverschiebemeldesystem ergänzen. Das wäre europäische Politik von unten und von oben. Also überzeugend. Aber wer ist dafür zuständig?