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"Die Flinte ist mir angewachsen"

Olivia Fritz29. Juli 2012

Deutsche Sportschützen sind eigentlich eine sichere Bank für Olympia-Medaillen. Die dreimalige Weltmeisterin Christine Wenzel hatte in Peking Bronze geholt und hoffte nun auf mehr, musste sich aber mit Platz 6 begnügen.

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Christine Wenzel im Wettkampf (Foto: EPA/GEOFF CADDICK)
Bild: picture-alliance/ dpa

Der Schießstand im münsterländischen Hopsten-Schale liegt weitab, dorthin verirren sich nur Sportschützen. Christine Wenzel geht hier ein und aus, sie ist Deutschlands erfolgreichste Skeet-Schützin und Medaillenhoffnung bei den Olympischen Spielen. Auf ihrem Trainingsgelände kann sie das Olympische Programm abrufen und trainieren. Von links nach rechts arbeitet sich die Schützin durch acht Positionen. 25 Scheiben und drei Serien gibt es für die Frauen, die besten sechs Schützinnen schaffen es ins Finale. Den Scheibenauswurf steuert Christine Wenzel mit ihrer Stimme. "Ho" ruft sie, dann muss sie schnell reagieren. Nicht immer kommen die Scheiben sofort, und anlegen darf sie ihr Gewehr vorher auch nicht. Das ist verboten.

Vom Fußball zum Schießen

Die 31-jährige Mutter ist noch nicht allzu lange dabei – zunächst war sie im örtlichen Fußballverein Torhüterin. Die Liebe hat sie zum Schießsport gebracht: Ehemann Tino nahm sie vor zwölf Jahren einfach mal mit und bald schon war sie besser als er. Tino wurde ihr Heimtrainer und ist es bis heute. Beide haben ihre Gewehre zu Hause in einem Waffenschrank, der mit einem Zahlencode gesichert ist. Sohn Tobias soll nie einen Schlüssel finden können. "Der Code ist in meinem Kopf, den weiß nicht mal mein Mann." Obwohl auch er im Nationalteam ist, hat es für die Olympiaqualifikation nicht gereicht. "Ich denke schon, dass Tino sich über meine Erfolge freut. Es ist ja auch sein Teilerfolg." Auf jeden Fall sei es ein Zeichen dafür, dass sie richtig trainieren, ist Wenzel überzeugt.

Tine und Tino sind mittlerweile von der Schießanlage in Hopsten-Schale nicht mehr wegzudenken. Heinz Heese, der seit 30 Jahren auf dem Schießstand trainiert, hat Christines Karriere von Beginn an verfolgt. "Das ist unser größtes Aushängeschild, das wir hier haben", verrät er stolz. "Sie hat sich sehr gut entwickelt. Das ging gleich ab – im zweiten Jahr schon deutscher Meister und jetzt ganz oben in der Welt. Immer." Ganz oben, das heißt unter anderem dreimal Weltmeisterin und Bronze bei den Olympischen Spielen in Peking. Doch beim allerersten Mal war Christine Wenzel ganz schön aufgeregt. Es habe ganz schön wehgetan, gibt sie zu. "Man hat natürlich überhaupt keine Waffenhandhabung. Man weiß gar nicht, wie man da was anfassen soll. Dann erschrickt man natürlich auch, weil man im Vorfeld gar nicht weiß, was da kommt."

Christine Wenzel legt ihr Gewehr an (Foto: EPA/GEOFF CADDICK)
Reaktionsschnell muss man sein: Christine Wenzel in AktionBild: picture-alliance/ dpa

Hoffen auf Gold

Mittlerweile weiß sie ziemlich genau, was sie erwartet. Und obwohl die Leistungsdichte bei den Frauen nicht ganz so hoch ist wie bei den Männern, darf sich Christine Wenzel in London nicht allzu viele Fehlschüsse erlauben. "Es ist schon sehr eng oben. Wenn man eine oder zwei Scheiben im Vorkampf vorbeischießt und lässt dann im Finale noch ein, zwei fliegen – dann kann das unter Umständen schon nicht mehr den Sieg bedeuten." Sie trainiert fleißig für eine Medaille – welche, da will sie sich nicht festlegen, zu viele Faktoren können den Wettkampf beeinflussen. Nur die Waffe sei nie schuld: "Ich trainiere mit dieser Flinte, die ist mir quasi angewachsen. Es ist mein Schätzchen. In diese Waffe lege ich mein ganzes Vertrauen. Wenn ich nicht treffe, dann liegt es nicht an der Flinte."

Im Training läuft allerdings alles perfekt: Null Fehler. "Heimvorteil", wiegelt Christine Wenzel ab. Hier kenne sie alle Haltepunkte, die man im Wettkampf im Training erst ermitteln muss. Dennoch ist sie gut gerüstet: Bei der Europameisterschaft auf Zypern in diesem Jahr holte sie Silber.