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"Die Frauen sind es gewohnt, sich im öffentlichen Raum zu bewegen"

26. April 2004

- Frauen in der Slowakei vor dem EU-Beitritt

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Bonn, 26.4.2004, DW-RADIO, Vladimir Müller

Auch innerhalb der Europäischen Union ist die Situation der Frauen sehr unterschiedlich. Gleichberechtigung, Gleiche Lohn für gleiche Arbeit, Positionen im öffentlichen Leben und die Möglichkeiten Karriere und Familie zu vereinen, sind schon bei den "alten" Mitgliedstaaten nicht gleich geregelt. In den neuen Mitgliedsländern, die am 1. Mai in die EU eintreten, ist die Situation oft noch schwieriger, als in den alten Ländern. Die Frauen bekommen jetzt jedoch die Möglichkeit, ihre Rechte auch bei der EU einzuklagen, wenn es auf nationaler Ebene nicht klappt. Zur Situation der Frauen in der Slowakei ein Bericht von Vladimir Müller:

"Die Frauen hier bei uns haben noch nicht genug erreicht, ihre Lage ist nicht gut," meint Sylvia Porubänova vom "Forschungszentrum Arbeit und Frauen". Seine Räumlichkeiten befinden sich im Gebäude des Ministeriums für Arbeit und Familie, Sylvia Porubänova betont jedoch die Unabhängigkeit ihres Instituts. Ihre Bilanz des letzten anderthalb Jahrzehntes - seit der politischen Wende 1989:

"Fünfzehn Jahre sind nicht viel. Nach einigen Jahrzehnten des staatlichen Paternalismus sind wir aber doch aufgewacht. Vor allem: Inzwischen gibt es hier eine starke Basis von Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Vieles, was in letzter Zeit in Angriff genommen wurde, wurde erst auf Druck von Frauen-NGOs möglich."

Das Bewusstsein für Frauenpolitik ist dabei in der Slowakei erst im Entstehen. Ein Indiz: Das Land zwischen Donau und Hohe Tatra weist die niedrigste Zahl von Politikerinnen in Europa auf. Kein Wunder, dass Themen wie Häusliche Gewalt gegen Frauen lange verschwiegen wurden. Erst Ende der 90er Jahre sind sie aus einer Tabu-Zone in die öffentliche Diskussion getreten.

"Hier haben uns die Erfahrungen in den EU-Ländern geholfen, wo es schon starke Maßnahmen gegen häusliche Gewalt gegen Frauen gab. Es war also wieder einmal Druck von außen - nicht von der Regierung, sondern von den NGOs. In den letzten zwei-drei Jahren wurden dann entsprechende Gesetze nach europäischem Muster verabschiedet, um Frauen besser zu schützen."

Die Voraussetzungen für aktive Teilnahme der Frauen am politischen Leben sind durchaus gegeben: Zum ersten Mal studieren jetzt an den slowakischen Hochschulen mehr Frauen als Männer. Und im Unterschied zu Portugal oder Griechenland, Ländern, mit denen Slowakei manchmal verglichen wird, ist der Anteil der Frauen an Beschäftigten in praktisch allen Berufen besonders hoch: Ein Überbleibsel aus der sozialistischen Vergangenheit, in der Vollbeschäftigung die heiligste Kuh war, ohne Rücksicht auf tatsächlich erzielten gesellschaftlichen Nutzen dieser oder jener Tätigkeit. Zugleich aber:

"Die Frauen sind es gewohnt, sich im öffentlichen Raum zu bewegen. Es gibt bei uns nur wenig Frauen, die von sich aus ausschließlich im privaten Bereich tätig sein möchten, also sich lebenslang nur an der Familie orientierten."

Natürlich mussten die Frauen schon aus finanziellen Gründen arbeiten gehen. An dieser Notwendigkeit hat sich aber auch heute nichts geändert. Sie hat sich nur verstärkt: wegen seit Jahren stetig steigender Preise und nach den neuesten radikalen Sparmaßnahmen der Mitte-Rechts-Regierung im sozialen und Gesundheitsbereich. Auf dem Arbeitsplatz selbst müssen sie aber einiges in Kauf nehmen:

"In der Slowakei bekommen die Frauen im Durchschnitt 71 Prozent dessen, was Männer für die gleiche Arbeit bekommen, auch wenn sie in gleicher Position arbeiten."

Sicherlich ist es für die slowakischen Frauen kein Trost, dass sie bei der ungleichen Entlohnung das gleiche Schicksal mit den meisten europäischen Frauen teilen. Sylvia Porubänova vom Forschungszentrum Arbeit und Frauen ist aber in einem zuversichtlich: Nach dem EU-Beitritt der Slowakei am 1. Mai wird es nicht mehr möglich sein, bestimmte Fragen zu übergehen und unter den Teppich zu kehren. Die Menschen seien schon gut informiert über ihre Rechte und Pflichten, die mit der EU-Mitgliedschaft zusammenhängen. Und:

"Das wichtigste ist, dass sie diese Rechte auch einklagen können. Sie kennen sie, sie sind informiert und wenn nötig, können sie diese Rechte einklagen. Nicht nur national, sondern auch im EU-Rahmen." (fp)