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Gärten der Bahai

26. September 2010

Israel ist nicht nur das Heilige Land der Juden, Christen und Muslime, sondern auch ein Pilgerziel der Bahai. Ihre heiligen Stätten in Haifa und Westgaliläa gehören seit 2008 zum Weltkulturerbe der UNESCO.

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Der Schrein Bahaullahs umgeben von Gärten (Foto: Bahai International Community)
Bild: Bahá í International Community

Alain Kaniki aus Zentralafrika sitzt am Rande einer großzügig gestalteten Parkanlage in Westgaliläa. Dort singt er leise ein religiöses Lied auf Thiluba, einem Dialekt seiner Heimat. Das Lied fordert alle Gläubigen auf, sich Gott zuzuwenden. Mit Gottes Hilfe, so verspricht der Refrain, können sie Leid und Schwierigkeiten überwinden. Das hofft auch Alain. Nicht zuletzt deshalb hat er sich auf die Pilgerreise nach Israel begeben.

In der Mitte des konzentrisch angelegten Gartens, umgeben von Jahrhunderte alten Bäumen und rot leuchtenden Geranien, steht ein unscheinbares Haus, das für die Bahai eine große Bedeutung hat. Es ist der letzte Ruheort ihres Religionsstifters, Bahaullah. Im Inneren duftet es leicht nach Rosen. Hier lesen die Pilger still ihre Gebete.

Die Gebete Bahaullahs besser begreifen

Der Schrein Bahaullahs gehört seit 2008 zum Weltkulturerbe der UNESCO, Westgaliläa (Foto: Michael Gollmer)
Im Schrein wird still gebetetBild: Michael Gollmer

Zu ihnen gehört auch Paulina Jeskierska. Die Pilgerin will in Israel nicht nur die historischen Orte ihrer Religion besuchen, sondern auch über ihr Leben nachdenken. Das Gebet fühle sich in Israel anders an als zu Hause in Polen, sagt sie. "Man erfährt wirklich, was Bahaullah durchmachen musste, man besucht seine Gefängniszelle und begreift, unter welchen Bedingungen er und seine Familie festgehalten wurden." In dieser historischen Umgebung verstehe sie die Gebete Bahaullahs besser, betont Paulina. "Sie bekommen eine tiefere Bedeutung und werden viel greifbarer."

Weltweit gibt es etwa sechs Millionen Bahai, 5.000 von ihnen leben in Deutschland. Mit der kleinen Anhängerzahl ist die Bahai-Religion in der Bundesrepublik relativ unbekannt. Der Leiter des Referats für Dialog und Verkündigung des Erzbistums Köln, Werner Höbsch, kennt die Bahai-Religion vom interreligiösen Dialog. Sie verstehe sich als jüngste Offenbarungsreligion, wobei sie die abrahamitischen Religionen und deren heilige Schriften nicht ablehne, sondern sich als deren Erfüllung sehe. "Von daher", so Werner Höbsch, "ist sie tatsächlich als eine Weltreligion anzusehen, die inzwischen in allen Erdteilen verbreitet ist und das Erbe aller Religionen aufnehmen möchte."

Viele Propheten, aber nur ein Gott

Das Grabmal des Bab inmitten der Hängenden Gärten (Foto: Michael Gollmer)
Grabmal des BabBild: Michael Gollmer

Moses, Buddha, Jesus, Mohammad und Bahaullah gelten als Offenbarer desselben Gottes. Die Religionen weisen für die Bahai zwar aufgrund ihrer Zeit- und Kulturbedingtheit Unterschiede auf, tragen aber im Kern denselben Geist. Tugenden wie Wahrhaftigkeit, Nächstenliebe und Demut bilden die Grundlage der Bahai-Religion. Entstanden ist sie in Persien. Aber da der Religionsstifter Bahaullah und seine ersten Anhänger über mehrere Stationen ins heutige Israel verbannt wurden, befinden sich die heiligen Stätten der Bahai heute dort.

Tausende Bahai aus aller Welt pilgern jedes Jahr nach Israel. Auf ihrem Programm stehen auch die Orte, wo Bahaullah seine heiligen Schriften niederschrieb und seine Familie wohnte. Die Pilgerreise ist für viele Bahai auch eine gute Gelegenheit, Gläubigen aus anderen Erdteilen zu begegnen. Allein deshalb habe sie sich für ihn schon gelohnt, sagt Pierre Madjitoloum aus Tansania. "Obwohl man sich zum ersten Mal trifft, ist es, als ob man sich schon seit Jahren kennt." Neun Tage habe er mit den anderen Bahai verbracht, aber diese Zeit sei ihm wie neun Jahre vorgekommen, lacht er.

Schönheit spielt eine große Rolle

Zu den bedeutendsten Pilgerstätten der Bahai gehören auch die Hängenden Gärten am Berg Karmel in der Hafenstadt Haifa. Im Mittelpunkt steht ein Tempel mit goldener Kuppel. Hier befindet sich das Grabmal des Bab, dem Vorläufer Bahaullahs. Die Schönheit dieser farbenfrohen Gärten mit ihren weitläufigen Balustraden und ihren dekorativen Ornamenten ist weltbekannt.

Auf den Gartenterrassen am Hang des Berges Karmel laden Bänke zum Verweilen ein (Foto: Michael Gollmer)
Gartenterrassen am Berg KarmelBild: Michael Gollmer

Schönheit spielt für die Bahai eine wichtige Rolle. Antje Raeder aus Offenbach findet sie in der Natur. Dort fühlt sie sich Gott am nächsten. Zu ihren Lieblingsorten in Haifa gehören daher die Marmorbänke auf einer der 19 Gartenterrassen. Von hier aus kann sie die ganze Gartenanlage überblicken - bis hin zum Mittelmeer. Das erinnere sie an das Sprichwort "Das Auge isst mit", sagt sie und fügt erklärend hinzu: "Die Seele isst sicherlich manchmal mit dem Auge."

Autorin: Anggatira Gollmer

Redaktion: Sabine Damaschke