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Die geizige Supermacht

31. Dezember 2004

Die Reaktion der US-Regierung auf die Katastrophe im Indischen Ozean sorgt für harsche Kritik - auch in den USA selbst ist Präsident Bush unter Beschuss geraten.

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Umstrittene Hilfsangebote unterbreitet George W. BushBild: AP

Nach der Flutkatastrophe in Südostasien hat sich US-Präsident George W. Bush einiges an Vorwürfen anhören müssen: Er habe zu spät reagiert und dann auch noch zu wenig Hilfe angeboten, kritisieren US-Medien, Vertreter verschiedener Organisationen und die Oppositionspartei der Demokraten. Vor allem wird dem auf seiner Ranch in Texas urlaubenden Präsidenten angelastet, dass es volle drei Tage gedauert hatte, bis er vor die Kameras trat. In einer Diskussionsrunde des Senders CNN rechnete ein Teilnehmer vor, wofür sich der Präsident seit dem Seebeben im Indischen Ozean alles Zeit genommen habe: "Er arbeitete im Garten, ging mit seiner Frau spazieren, er radelte und bereitete sich auf den Besuch von Freunden vor."

Zerüttetes Ansehen

Als Bush am 29. Dezember dann doch noch in Aktion trat, hatte das Ansehen der USA schon ein weiteres Mal schwer gelitten - durch die "Geiz-Debatte". UN-Krisenkoordinator Jan Egeland hatte zuvor darauf hingewiesen, dass viele wohlhabende Länder, abgesehen von ihrer Bereitschaft zur Nothilfe, bei der langfristigen Entwicklungshilfe ziemlich "knauserig" seien und weit hinter dem UN-Ziel von Leistungen in Höhe von 0,7 Prozent ihres Bruttosozialprodukts zurückblieben.

Bush reagierte auf seine Weise und ging in die Offensive: "Sehr töricht und falsch informiert" sei das, was Egeland da von sich gegeben habe, erklärte er zur Empörung vieler UN-Diplomaten. Und Bushs Ankündigung einer "Kerngruppe" der Helferstaaten aus USA, Japan, Australien und Indien wurde auf dem diplomatischen Parkett als weiterer Affront gegen die UN gewertet.

Mit seiner Reaktion machte Bush den politischen Schaden eher noch schlimmer: Bush musste sich beispielsweise von der "New York Times" vorrechnen lassen, dass Egeland selbstverständlich Recht habe. Die USA bilden mit einem Anteil von lediglich 0,14 Prozent ihres Bruttosozialprodukts tatsächlich das Schlusslicht aller Industriestaaten in Sachen Entwicklungshilfe.

Die Hälfte des Hunde- und Katzenfutters

Und auch die Ankündigung einer "Soforthilfe" von 15 Millionen Dollar sorgte selbst in den USA für Empörung: Dies sei "weniger als die Hälfte dessen, was die Republikanische Partei für die Feierlichkeiten zur Amtseinführung von Bush ausgeben will", schrieb eine linksliberale Zeitung. Und es sei "weniger als die Hälfte der täglichen Ausgaben für Hunde- und Katzenfutter in den USA", ätzte die französische Zeitung "Le Figaro" und nur "ein Zehntel der täglichen Kosten für den Irak-Krieg". Kritiker wie der der demokratische Senator Patrick Leahy verweisen auf die 13 Milliarden Dollar, die der Kongress für das hurrikangeschädigte Florida locker machte - vor der Präsidentenwahl. "Hätte Bush anders reagiert, wenn es in Sri Lanka um Wahlmännerstimmen ginge? " fragte ein CNN-Moderator ketzerisch.

Auch die Erhöhung der Summe auf 35 Millionen Dollar konnte die Kritiker nicht besänftigen - immerhin bringen die wesentlich kleineren Staaten Deutschland und Frankreich jeweils rund 30 Millionen Dollar auf. "35 Millionen geben wir im Irak schon vor dem Frühstück aus", sagt Leahy.

Nicht ganz glücklich

Inzwischen versucht man allerorts den politischen Schaden zu begrenzen. US-Regierungsbeamte räumen mittlerweile ein, dass die Reaktion vielleicht nicht ganz glücklich gewesen sei, weil sie den falschen Eindruck erwecke. Bush habe nur deshalb mit seinem öffentlichen Auftritt gewartet, weil er sich erst einen Überblick habe verschaffen wollen. US-Hilfsmaßnahmen seien sofort nach dem Eintreffen der Katastrophe angelaufen. Und was den Geiz-Vorwurf betreffe: Die 35 Millionen Dollar seien schließlich nur ein Anfang. Die Katastrophenhilfe unter Bush sei ständig gewachsen - 40 Prozent der internationalen Hilfen hätten sie im vergangenen Jahr ausgemacht.

"Entlastung in Erwägung ziehen"

Auch der scheidende US-Außenminister Colin Powell machte sich ans Beschwichtigen: Die USA wolle mit ihrer angestrebten Führungsrolle bei den Hilfsmaßnahmen den Vereinten Nationen nicht Konkurrenz machen. "Das wird alles gut ineinander greifen", versicherte Powell. Die Initiative Washingtons werde die internationalen Bemühungen "ergänzen", erklärte er noch am selben Tag wie Bush. Der Noch-US-Außenminister will nach Neujahr mit einem Expertenteam ins Katastrophengebiet reisen. Wie US-Präsident George W. Bush sagte, werde dem Team auch sein Bruder Jeb angehören, der als Gouverneur von Florida im Umgang mit Hurrikan-Schäden erfahren sei.

Die USA stellten sich ferner hinter den europäischen Vorschlag für eine internationale Geberkonferenz zur Finanzierung des Wiederaufbaus in Asien. Zuvor hatte sich auch die Bundesregierung in Berlin für eine solche Konferenz eingesetzt. Der Vorschlag sei "interessant" und werde von den USA geprüft, sagte Powell am Donnerstag in Washington. Es sei "offenkundig, dass die internationale Gemeinschaft eine Schuldenentlastung in Erwägung ziehen muss". Der im Januar aus dem Amt scheidende Minister kündigte eine "sehr kurzfristige" Geberkonferenz für die betroffenen Länder an. (sams)