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Geschichte getanzt

5. November 2009

Mit dem Projekt "Dancing to connect" haben 100 Berliner Schüler aus Mirgationsfamilien sich dem Mauerfall tänzerisch genähert und unter Leitung amerikanischer Ballett-Choreographen ein Stück zum Mauerfall einstudiert.

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Eine Tänzerinnen zieht eine andere Tänzerin an der Hand hinter sich her (Foto: Christian Jungeblodt)
Bild: Christian Jungeblodt

Sie trommeln auf Holzkisten, klatschen dann zum Takt der eingespielten Töne. Die zwanzig Schüler aus Berlin proben ihre Mauerfall-Szene auf der Bühne. Bevor der Vorhang tatsächlich aufgeht, haben sie nur noch ein paar Stunden. Dann beginnt die Tanzperformance "Dancing to Connect - The Fall of the Wall". Eine Collage aus Szenen, die Schüler zwischen 14 und 19 Jahren und auch professionelle Tänzer aus den USA vorführen. Währendessen sitzt Yildiz im Zimmer nebenan. Im Aufenthaltsraum wartet die Schülerin aus einem Gymnasium des Berliner Stadtteils Wedding auf den baldigen Auftritt. Der 19-Jährigen hat es Spaß gemacht, die Performance einzustudieren. Auch weil sie das Thema "Mauerfall" nicht kalt lässt. "Mich berührt es insofern, wenn ich von den Schicksalen damals höre", sagt sie. "Wenn jemand anders über das eigene Leben entscheidet, indem sie einfach Mal eine Grenze ziehen durch Berlin, das finde ich ist nicht gerecht."

Impuls zum Gespräch mit der Familie

Berliner Schülerinnen bringen im Tanz Emotionen zum Ausdruck (Foto: Christian Jungeblodt)
Tänzerisch Geschichte erfahrenBild: Christian Jungeblodt

Yildiz ist zu jung, um die deutsche Teilung miterlebt zu haben. Das Mädchen mit kurdischen Wurzeln wusste vor dem Projekt schon aus der Schule eine Menge über die Zeit der zwei deutschen Staaten. Dass das nicht selbstverständlich ist, erklärt Susan Hermenau von der Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg, die das Projekt organisiert hat. Die meisten Teenager könnten mit der jüngsten deutschen Geschichte kaum etwas anfangen, sagt sie. "Dancing to Connect" soll da Impulse geben. "Wir möchten mit dem Projekt dazu beitragen, dass sich diese Generation mit dem Thema auseinander setzt", erklärt sie. "Auf der einen Seite noch mal nachliest, noch mal mit den Eltern und Großeltern darüber spricht." Ein weiteres Ziel sei es, durch das Tanzen ein positives Körpergefühl zu vermitteln, erklärt Susan Hermenau.

"Der Tanz in Euch"

Profitänzerinnen erklären den Schülerinnen, wie sie Gefühle tänzerisch umsetzten können(Foto: Christian Jungeblodt)
In sich hinein hören und lernenBild: Christian Jungeblodt

Viele Schüler hatten kaum Tanzerfahrung und waren umso verblüffter, als sie zum ersten Mal auf die Profitänzer trafen: "Die Schüler glauben, dass die Tänzer aus New York ihnen schon zeigen werden, wie man tanzen soll", sagt der künstlerische Leiter Jonathan Hollander. "Und sie sind sehr überrascht und geschockt, wenn wir ihnen sagen: Wir stellen uns nicht vor euch und ihr müsst den Tanz dann nachtanzen. Wir finden den Tanz in euch." Der Leiter der "Battery Dance Company" aus New York beschreibt die einwöchigen Workshops, an denen die Schüler teilnahmen, als Prozess: Emotionen und Stimmungen aus der Zeit des Mauerfalls sollten nachempfunden und in Bewegungsabläufe umgewandelt werden.

Die Mauer tanzen?

Der 18-jährige Umut aus dem Gymnasium in Wedding tat sich mit dem offenen Arbeiten zunächst nicht leicht: "Es war schon am Anfang schwer, weil wenn jemand sagt, du sollst die Mauer darstellen, dann würde man einfach so gerade stehen", sagt er. "Aber es ist so, dass man es mit Gefühlen verbindet und zum Beispiel den Osten und Westen auf eine andere Art darstellt."

Bis nach New York

Umut und Yildiz schauen - um einige Erfahrungen reicher - im Aufenthaltsraum in die Kamera (Foto: DW)
Geschichte hautnah erlebtBild: DW

Umut ist in Deutschland geboren, hat aber auch kurdische Wurzeln. Für ihn ist die Geschichte der beiden deutschen Staaten und der Wiedervereinigung zwar weit weg. Aber sie geht ihm auch nahe: "Das beeindruckt einen schon, dass man nachdenklich wird, was die Menschen so geprägt hat und wie die so voneinander entfernt gelebt haben". Für Umuts Klasse ist das Projekt nach der Aufführung noch nicht zu Ende gewesen. Die Gruppe flog im Rahmen eines Highschool-Austausches in den Herbstferien nach New York, um ihren Teil der Performance noch einmal zu zeigen.

Autorin: Lydia Leipert

Redaktion: Conny Paul