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Tabubruch

Dina Gouda21. Mai 2007

Rania Al-Baz war schön und erfolgreich, eine bekannte TV-Moderatorin in Saudi-Arabien. Dann schlug sie ihr Mann so, dass sie 33 Mal operiert werden musste. In einem Buch hat sie ihr Schicksal verarbeitet.

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Cover des Buches "Entstellt" von Rania Al-Baz
Cover des Buches "Entstellt" von Rania Al-Baz

Es waren diese "törichten Fragen" von Journalisten auf ihrer Lesereise durch Deutschland, die Rania Al-Baz wieder einmal deutlich gemacht haben, dass es richtig war, das Buch zu schreiben. Manch einer habe wohl immer noch die Vorstellung, dass sich die Menschen in Saudi-Arabien auf Kamelen fortbewegen. "Als ein Verlag auf mich zukam, meine Biographie zu schreiben, fand ich das toll. Denn dieses Buch ist ein Mittel dafür, den Europäern zu zeigen, wie die Menschen in Saudi-Arabien wirklich leben", sagt sie.

In ihrem Buch "Entstellt" geht es um Liebe, Familie und Gewalt und ihr persönliches Schicksal. "Ein Schicksal, das jeder Frau passieren könne", sagt sie, "egal wo sie lebt". Ihr Buch ist ein Erfolg. Es wurde bereits in mehrere Sprachen übersetzt.

"Kindlich und unreif"

Ranias Gesicht war in Saudi-Arabien überall bekannt. Sie arbeitete als TV-Moderatorin, war eine der wenigen Frauen in diesem Metier. Rania ist in Mekka geboren und wuchs in guten Verhältnissen in der Hafenstadt Jeddah auf. Mit elf bekam sie die ersten Heiratsangebote. Mit 16 heiratete sie, wurde Mutter und mit 19 war sie bereits wieder geschieden. Ihr Mann hatte die Scheidung veranlasst, weil sie ihm zu "kindlich und unreif" erschien.

Auf Wunsch ihrer Eltern studierte Rania Radiologie. An der Universität galt sie als Rebellin und Wortführerin ihrer Kommilitonen. Während des Studiums lebte sie zeitweise allein mit ihrer Tochter. Eine allein erziehende Mutter – das ist selten in Saudi-Arabien, einem Land, in dem Frauen eigentlich nur in männlicher Begleitung das Haus verlassen dürfen.

Schläge still ertragen

Ein Nachbar vermittelte sie dann zum Fernsehen. In der Sendung "This Morning in Kingdom" erwarb sie sehr schnell große Anerkennung. Als Moderatorin war sie landesweit bekannt und beliebt. Mit 29 Jahre heiratete sie zum zweiten Mal, inzwischen hatte sie insgesamt drei Kinder. Die Familie lebte von ihrem Einkommen als Fernsehmoderatorin. Gleichzeitig musste sie jedoch die Rolle der traditionellen muslimischen Ehefrau ausfüllen.

Und ihr Ehemann war gewalttätig. Sie ertrug die Schläge, blieb still. "Das war ein großer Fehler", sagt sie heute. "Jede Frau sollte wissen, dass sie nicht mit einem aggressiven gewalttätigen Mann weiterleben muss. Ein Mann, der seine Frau verprügeln kann, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen, wird hemmungslos. Irgendwann schlägt er so hart zu, dass die Frau stirbt", warnt Rania und fügt hinzu: "So ist es mit mir fast passiert."

Gesicht zerschmettert

Dieses Foto von Rania Al-Baz ging um die Welt
Dieses Foto von Rania Al-Baz ging um die WeltBild: picture-alliance/dpa

Es geschah am 4. April 2004. Rania geht ans Telefon, um mit einer Freundin zu sprechen. Da rastet der Ehemann aus. Er hatte ihr das Telefonieren mit der Freundin verboten – offenbar aus Eifersucht und Besitzanspruch. Bis zur Bewusstlosigkeit prügelt er auf sie ein. Die schwer Verletzte legt er auf der Straße vor einem Krankenhaus ab und taucht unter.

Wochenlang lag Rania im Koma, ihr Gesicht war zertrümmert, immer wieder hatte der Mann sie mit dem Gesicht auf den Boden geschlagen. Die schweren Verletzungen heilten nur sehr langsam. Ihr Vater ließ von ihr Fotos machen, während sie noch im Koma lag. Als Rania die Fotos sah, entschloss sie sich, die Mauer des Schweigens zu brechen und stimmte der Veröffentlichung der Fotos zu.

Tabu gebrochen

Das Bild von dem entstellten Gesicht von Rania ging um die Welt und löste Erschütterung aus. Die Misshandlung von Frauen in Saudi-Arabien geriet in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Der gewalttätige Ehemann, der sich einige Wochen nach der Tat der Polizei gestellt hatte, wurde wegen schwerer Körperverletzung zu sechs Monaten Haft verurteilt. Nach Informationen von Amnesty International verbüßte er allerdings nur die Hälfte der Strafe.

Der Fall von Rania al-Baz war der erste seiner Art in Saudi Arabien, der überhaupt vor einem Strafgericht in öffentlicher Sitzung verhandelt wurde und zur Verurteilung des Täters führte. Frauenrechtlerinnen, Schriftsteller, Journalisten und Rechtsanwälte haben inzwischen zu Reformen in Gesetzgebung und Justiz Saudi Arabiens aufgerufen um der Diskriminierung von Frauen und der Straflosigkeit für Gewalt an Frauen ein Ende zu setzen.

Die Gewalt hat ihr Leben für immer verändert, sagt Rania Al-Baz, die Entscheidung die Fotos zu veröffentlichen, war ein weiterer Schritt. Seitdem engagiert sie sich für die Rechte der Frau. Heute lebt sie mit ihren beiden Söhnen in Beirut und arbeitet als Sprecherin im Fernsehen.