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Schokolade und Spiele machen glücklich

7. April 2009

Teure Restaurantbesuche, exotische Urlaube, lange Diskonächte -in den Zeiten der Wirtschaftsflaute ist das passé. Stattdessen igeln sich die Menschen zu Hause ein und versuchen sich abzulenken. Zwei Branchen profitieren.

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Ein Frosch aus Schokolade mit goldener Krone bei 'Fassbender & Rausch' (Foto: Kiesel)
Schokolade macht glücklich: Ein Schoko-Frosch bei 'Fassbender & Rausch'Bild: Kiesel

Süßer Geruch wabert durch das Geschäft von "Fassbender & Rausch" am Berliner Gendarmenmarkt. Ein Kunde betritt hier die Schokoladenseite des Wirtschaftslebens. Er steht im größten Schokoladengeschäft Europas: Der L-förmige Raum misst 500 Quadratmeter.

Hinter einer Vitrine füllt Pauline Mahlo hellbraunen Schokoladenbruch in ein durchsichtiges Plastiktütchen. Die 19-Jährige trägt eine grüne Weste über einer weißen Bluse. Für sie ist Schokolade mehr als nur Naschwerk. "Schokolade macht glücklich", sagt sie und schaut durch die hohen Scheiben auf die Straße. Da draußen mag es die große Wirtschaftskrise geben: besorgte Politiker, Kurzarbeit, Absatzschwierigkeiten. "Vielleicht", fügt Mahlo hinzu, "sollte man einfach ein Stückchen Schokolade essen, wenn man unglücklich ist wegen der Krise." Den Kunden merkt die junge Frau jedenfalls nicht an, dass schwierige Zeiten angebrochen sind, "Es ist sehr entspannt."

Schokolade ist gut gegen Depressionen

Jürgen Rausch in seinem Geschäft (Foto: Kiesel)
Herr der Schokolade: Jürgen RauschBild: Kiesel

Sehr entspannt wirkt auch der Inhaber des Geschäfts, Jürgen Rausch. Er steht am Eingang neben einer brusthohen Nachbildung des Brandenburger Tores aus dunkler Schokolade und beobachtet, wie seine Kunden durch das Geschäft schlendern. Sein Kopf mit dem weißen Haarkranz ist gebräunt, um die Augen des 60-Jährigen kräuseln sich beim Sprechen Lachfältchen.

Er leitet das Familienunternehmen in vierter Generation. Rausch weiß, was Wirtschaftskrisen für einen Chocolatier bedeuten: "Es wiederholt sich, was wir schon nach dem Zweiten Weltkrieg hatten: Immer dann, wenn es den Menschen besonders schlecht geht, essen sie gerne Schokolade." Und das schlägt sich im Umsatz des Unternehmens nieder. "Hier im Geschäft und auch in meinem Betrieb in Niedersachsen stellen wir mehr Schokolade her, weil mehr davon gekauft wird", sagt Rausch. Schokolade sei gut gegen Depressionen, meinen auch Psychologen.

Rausch ist Europas größter Verarbeiter von Edelkakao. Das ist nur ein kleines Segment des Kakaomarktes - etwa fünf Prozent. Doch wie der Rausch Schokoladen GmbH geht es vielen Bereichen der Süßwarenindustrie gut: Trotz Wirtschaftskrise sind die Absätze stabil - das stimmt angesichts der schlimmsten Rezession seit dem Zweiten Weltkriegs hoffnungsvoll.

Preisgünstige Unterhaltung

Die Menschen werden sich den Alltag in der Krise weiter versüßen - davon geht die Süßwarenbranche aus. Und die Kunden werden viel Zeit dafür haben: Denn Marktforscher der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) sagen voraus, dass die Konsumenten in wirtschaftlich schweren Zeiten mehr zu Hause bleiben und sich dort einigeln - möglichst bequem und mit viel Naschwerk, wie der Branchenverband des Süßwarenhandels (BDSI) erwartet. Weil den Menschen das Naschen allein aber schnell zu langweilig wird, vermuten Konsum-Experten, dass Artikel, die preisgünstige Unterhaltung versprechen, ebenfalls bald mehr gekauft werden dürften.

Monopoly wird wieder öfters gekauft

Christian Seipelt hält zwei Monopoly-Spiele im Arm (Foto: Kiesel)
Der Spiele-Verkäufer Christian SeipeltBild: Kiesel

Daran knüpft auch Christian Seipelt Hoffnungen. Der Berliner Einzelhändler verkauft Brett- und Gesellschaftsspiele in zwei Läden. In seiner Kreuzberger Filiale räumt er eine neue Lieferung in die Regale. Hinter ihm stehen fünf verschiedene Monopoly-Spiele im obersten Fach. Das Spekulantenspiel passt gut zur Finanzkrise und wird wieder öfter gekauft. "Aber am besten laufen Spiele, bei denen die Spieler kooperieren müssen", sagt Seipelt.

Der kräftige Endvierziger kann sich bisher nicht über den Zusammenbruch der Märkte beklagen: "Die Umsätze sind insgesamt etwas besser geworden", stellt Seipelt fest. Er ist gespannt auf die Abrechnung des ersten Quartals, aber tendenziell hat er schon jetzt den Eindruck, dass sich der Trend fortsetzt. "Wir hoffen, dass die Leute in Spiele investieren, weil andere Dinge teurer sind. Spiele sind immer noch eine relativ günstige Freizeitbeschäftigung."

Seipelts Branchenkollegen haben sich im Februar in Nürnberg bei der internationalen Spielwarenmesse, der größten ihrer Art weltweit, getroffen. Besonders aus Osteuropa, wo sich die Finanzkrise drastisch auswirkt, kamen mehr Besucher. Die pessimistische Stimmung im Vorfeld der Messe war schnell verflogen - am Ende wurde wie in den Vorjahren geordert.

Autor: Heiner Kiesel

Redaktion: Christina Hebel