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Die Globalisierung der Schönheit

Tini von Poser22. Mai 2012

Was bei Frauen als schön gilt, definieren häufig Mode-Eliten in Mailand oder New York. Immer mehr deutsche Zeitschriften sprechen sich gegen starre Ideale aus. Interkulturell funktionieren die ohnehin nur bedingt.

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Berlin/ Redaktionshinweis: Verwendung des Bildes nur zur redaktionellen Berichterstattung! +++ Models praesentieren am Donnerstag (19.01.12) auf der Fashion Week in Berlin waehrend einer Modenschau im Zelt auf der Strasse des 17. Juni Kleidung des Labels Kaviar Gauche. Die Berlin Fashion Week zeigt Kollektionen nationaler und internationaler Designer und Marken fuer Winter 2013. (zu dapd-Text) Foto: Axel Schmidt/dapd
Bild: dapd

"Ich habe wirklich die Schnauze voll von dieser Tyrannei der Mode. Deswegen lebe ich in Berlin. Berlin ist da viel freier", entrüstet sich der spanisch-kolumbianische Modedesigner Ricardo Ramos. In Modemetropolen wie Paris, New York oder Mailand ticken die Uhren anders, sagt Ramos. Da seien weiter die klassischen, langweiligen Models gefragt: 1,80 Meter groß, jung und die Hüfte nicht breiter als 90 Zentimeter und am besten noch blond. Der Modedesigner lässt dagegen je nach Show und Kollektion auch gerne mal eine 80-Jährige über den Laufsteg wandeln. Hauptsache extravagant und nicht immer das Gleiche.

Kate Moss (Foto: Getty Images)
Zahlreiche Modekampagnen tragen ihr Gesicht: Kate MossBild: Getty Images

Model-Standards gleichen sich an

Wie Models auszusehen haben, ist heute weitgehend globalisiert. Die schwedische Modemarke H&M setzt international auf bekannte Models wie Kate Moss. Viele andere Marken benutzen ebenfalls weltweit ein- und dieselbe Kampagne mit denselben Gesichtern und Körpern. "Sicher unterscheiden sich Schönheitsideale national", sagt Christiane Arp, Chefredakteurin der deutschen Ausgabe der Modezeitschrift Vogue. Aber im Grunde gelten "überall die gleichen Standards und Arbeitsweisen". Daher richte sich die frisch gestartete "Health Initiative" der Vogue auch an die internationale Modebranche.

Gegen Magermodels

Die Gesundheitsinitiative umfasst sechs Punkte. Sie sind zwar wenig konkret, könnten aber weltweit die Branche aufrütteln. Zumal sie von den Vogue-Redakteurinnen vieler Länder anerkannt und unterschrieben wurde: "Wir werden Designer bitten, die Folgen unrealistisch kleiner Mustergrößen ihrer Kleidung zu bedenken, welche die Auswahl an Frauen, die ihre Mode tragen können, begrenzt und den Einsatz extrem dünner Models begünstigt", heißt es zum Beispiel in Punkt 5.

Das ehemalige Model Andrea Matthias findet die Initiative "sehr vernünftig". Seit über 20 Jahren leitet sie die Modelagentur VIVA in Berlin. Ihr bleibe nichts anderes übrig, als sich an den internationalen Markt anzupassen, sagt sie. "Trends werden leider tatsächlich in Paris, Mailand und auch London gemacht. Wir bedienen dann und hoffen, dass wir jemanden haben, der auf die Beschreibung passt." Mit Magersucht habe das aber nichts zu tun. Die sei meistens schon in der Kindheit oder Pubertät angelegt und würde nicht durch den Model-Job erst verursacht.

Das Titelblatt der aktuellen VOGUE Juni 2012 (Foto: Vogue)
"Was ist schön?", fragt die aktuelle Ausgabe der deutschen VOGUEBild: VOGUE Deutschland

Zurück zu mehr Natürlichkeit

Die deutsche Frauenzeitschrift Brigitte war es leid, dass sie magere Models immer durch Photoshop aufpolstern musste. "Wir mussten ihnen oft mehr Brust oder mehr Hüfte hinzufügen", erklärt Chefredakteur Andreas Lebert. Lehrerinnen, Studentinnen oder Verkäuferinnen zieren daher seit Januar 2010 die Seiten der Zeitschrift. Damit zettelte Brigitte eine kleine Revolution an. "Wir wollten mehr Natürlichkeit, anstatt leblose Gesichter und Körper", rechtfertigt Lebert das neue Motto der Zeitschrift.

Die Initiative der Brigitte, auf die "normale" Frau zu setzen, blieb weltweit einzigartig. So etwas sei nur in Deutschland möglich, sagt Ricardo Ramos. Auch in der Werbebranche werde in Deutschland eher eine Frau gesucht, mit der sich die deutsche Durchschnittsfrau identifizieren könne, als ein fernes Traumbild.

Andere Erdteile, andere Schönheitsideale

In Lateinamerika hingegen bewerben häufig blonde, hellhäutige Frauen das neue Shampoo oder den leckeren Joghurt im Fernsehenb. "Der lateinamerikanische Durchschnittstyp ist aber eher schwarzhaarig und dunkelhäutig“, erläutert Ricardo Ramos. Der Modedesigner, der nun seit zwei Jahren in Berlin lebt, reist viel und beobachtet viel.

In Afrika und Lateinamerika seien mehr Kurven erwünscht als anderswo auf der Welt, sagt Ramos. "In Afrika ist angesagt, dass Frauen ihre Weiblichkeit zeigen. Denn die Frau soll auch mit ihrer Mutterrolle in Verbindung gebracht werden. Ihr Körper soll ausstrahlen, dass sie Kinder in die Welt setzen kann." In Lateinamerika hätten die angesagten Kurven aber eine Zeit lang fatale Folgen gehabt: "Immer mehr 15-Jährige Mädchen suchten nach Mitteln und Wegen, sich durch einen operativen Eingriff die Brust zu vergrößern, was sie mitunter das Leben kostete."

Ricardo Ramos legt einem Modell ein Kleid an; (Foto: Christina Raue)
Ricardo Ramos mit einem seiner ModelsBild: Christina Raue

Unrealistische Vorbilder

In Asien legt man vor allem Wert auf Models mit makelloser Haut. Sommersprossen und Leberflecken, die in Europa und Nordamerika durchaus für einige Designer Sex-Appeal hätten, seien in Asien nicht gewünscht, berichtet Ramos. "Der indische Werbe- und Modemarkt greift dagegen gerne auf seine eigenen Landsfrauen zurück: Die orientalische Frau mit makelloser Haut." Aber auch sie wird nicht ihrer Natürlichkeit überlassen. "Ein Großteil der indischen Models und Schauspielerinnen hellen ihre Haut auf."

Egal ob helle Haut, ellenlange Beine oder perfekte Körpermaße – eins haben die unterschiedlichen Ideale gemeinsam: Die durchschnittliche Frau im jeweiligen Kulturkreis ist von ihnen meist weit entfernt.