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Die größte deutsche Investition in Tschechien ist perfekt

20. Dezember 2001

– RWE zahlt vier Milliarden Euro für tschechische Gasindustrie

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Prag, 20.12.2001, PRAGER ZEITUNG, deutsch, Ewald Trojansky

Über vier Milliarden Euro zahlt die RWE Gas AG an die Prager Regierung für das stattliche Staats-Paket in der tschechischen Gasindustrie. Der Essener Konzern erhält dafür Transgas, den Besitzer einer der Haupttransit-Pipelines, durch die russisches Erdgas nach Westeuropa fließt. Im Paket enthalten sind außerdem die Staatsanteile an acht regionalen Gasversorgern.

RWE besiegte die deutschen Mitkonkurrenten E.On und Ruhrgas. Die Ruhrgas und der russische Lieferant Gazprom könnten allerdings bald Konsequenzen ziehen: Wie der Ruhrgas-Vorstandsvorsitzende Burckhard Bergmann schon vor Bekanntgabe der Entscheidung in einem Pressegespräch andeutete, erwägt sein Unternehmen nun die Nutzung anderer Routen.

97 Prozent des Gasimport-, Gastransport und Speicherunternehmens Transgas erwirbt die RWE von der tschechischen Treuhand, die restlichen drei Prozent bleiben im Staatsbesitz. Dazu kommen Beteiligungen an acht regionalen Gasverteiler-Gesellschaften, sechs davon sind Mehrheitsbeteiligungen zwischen 50 und 58 Prozent, zwei Minderheitsbeteiligungen von 46 beziehungsweise 49 Prozent - da die RWE an der Verteilergesellschaft der Region Prag schon einen Anteil von 12,56 Prozent besitzt, kommt sie in diesem Fall ebenfalls auf eine Mehrheit.

Mit der Vertragsunterzeichnung rechnet die RWE-Führung spätestens im kommenden Februar, insgesamt soll die ganze Transaktion - noch müssen die zuständigen Kartellbehörden grünes Licht geben - im Frühjahr nächsten Jahres abgeschlossen sein.

Beim Sieger herrscht Jubel: Mit dem Erwerb von Transgas, so Dietmar Kuhnt, Vorstandsvorsitzender der RWE AG, sei seinem Unternehmen der Durchbruch in eine Top-Position im europäischen Gasgeschäft gelungen: "Gerade Transgas nimmt eine Schlüsselrolle im Transitgeschäft zwischen dem größten Erdgasexporteur Russland und den Abnehmerstaaten in Westeuropa ein. Daher ist Transgas ein enorm wichtiges Asset für unsere Wachstumsstrategie im internationalen Gasgeschäft."

Mit Transgas werde RWE eine Schlüsselposition im europäischen Gasmarkt besetzen: "Im Gasabsatz nehmen wir die fünfte Position ein, bei der Endkundenzahl sind wir die neue Nummer vier und im Gasnetz werden wir der zweitgrößte Betreiber Europas sein."

Über das Pipelinenetz von Transgas fließen nach Angaben des RWE-Vorstandsvorsitzenden knapp 20 Prozent des westeuropäischen Gasverbrauchs. Kuhnt: "Größter Kunde ist die Gazprom, Abnehmer sind in erster Linie Ruhrgas, die VNG, Wintershall und Gaz de France. Langfristige Take-or-Pay-Transitverträge ermöglichen es, zweistellige Renditen zu erwirtschaften."

Kuhnt wies auf die seiner Ansicht nach beachtlichen Synergien hin, die sich für den RWE-Konzern durch den Kauf ergeben: "Wir haben uns ein Einsparvolumen von jährlich rund 100 Millionen Euro zum Ziel gesetzt. Der Gesamtwert der geschätzten Synergien beläuft sich auf rund 20 Prozent des Angebotspreises." Die bei der Privatisierung unterlegene Gruppe von Ruhrgas, Gaz de France und Gazprom allerdings wird die guten Geschäfte des Konkurrenten wohl kaum auf Dauer mitfinanzieren wollen. Das deutete der Vorstandsvorsitzende der Ruhrgas AG Bergmann schon vor der Entscheidung an. Bergmann bezeichnete das aus Ruhrgas, Gaz de France unter Beteiligung des russischen Gas-Giganten Gazprom gebildete Konsortium als naheliegendste Lösung bei dem Verkauf von Transgas - auf der einen Seite der Transitleitung sitze der Lieferant (Gazprom), auf der anderen die Abnehmer (Ruhrgas und Gaz de France).

Würden die berechtigten Interessen dieser Firmen nicht berücksichtigt, könne sich das Gas, so orakelte Bergmann, schnell andere Wege suchen. Auch die Analysten der Financial Times Deutschland beurteilten den RWE-Erwerb in ihrer Online-Ausgabe nicht all zu optimistisch: "Anders als Ruhrgas versorgt RWE hauptsächlich Endkunden und kann kaum auf Synergien hoffen. Als Hauptabnehmer von russischem Gas würden Ruhrgas und Konsorten wohl schnell andere Routen finden, statt hohe Pipelinegebühren an den neuen Mitbewerber RWE zu zahlen." (ykk)