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Die größte Privatisierung aller Zeiten

Dennis Stute7. Juli 2005

In Japan könnte die größte Bank der Welt entstehen. Denn die Privatisierung der japanischen Post, die über Vermögenswerte von 2500 Milliarden Euro verfügt, hat jetzt eine weitere Hürde genommen.

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Vor einer Umwälzung? Das Bankenviertel in TokioBild: AP

Das Ergebnis war denkbar knapp: Mit 233 zu 228 Stimmen votierten die Mitglieder des japanischen Unterhauses am Dienstag (6.7.2005) für die Privatisierung der japanischen Post. Nach mehreren Reformschritten soll das Postgeschäft 2017 in vier Bereiche aufgeteilt werden, darunter die Zweige Briefzustellung, Versicherungsdienstleistungen und Liegenschaftsverwaltung. Die durch die weltgrößte Privatisierung aller Zeiten ebenfalls entstehende Bank wäre mit Spareinlagen von umgerechnet 1600 Milliarden Euro die größte der Welt.

Postreform als Mission

"Schon bevor Junichiro Koizumi 2001 Ministerpräsident wurde, hatte er die Postreform als seine Mission definiert", sagt Franz Waldenberger, Wirtschaftswissenschaftler an der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Weshalb er sich ausgerechnet dieses Ziel gesetzt hat, habe ich nie verstanden." Denn das Thema sei in keiner Weise öffentlichkeitswirksam - im Gegenteil: Unter den 400.000 Mitarbeitern der Post herrscht Angst, dass durch die Privatisierung etliche der 25.000 Filialen geschlossen werden. In Koizumis Liberaldemokratischer Partei (LDP) galt die Reform daher auch lange Zeit als Tabu.

Japanische Yen-Noten, Japan, Yen
Eine tokioter Bankangestellte zeigt die im vergangenen Jahr eingeführten Yen-NotenBild: dpa

Das Projekt sei Teil von Koizumis Kampf gegen das Establishment in seiner LDP, glaubt Waldenberger. Der Außenseiter war - unter Beifall der Öffentlichkeit- auch mit Versprechen angetreten, Japans stagnierende Wirtschaft und die LDP, die Japan seit dem zweiten Weltkrieg fast ununterbrochen regiert, zu reformieren. "Die LDP konnte über den Postminister und über parlamentarische Staatssekretäre immer Einfluss auf die Post nehmen; es ging dabei um Pöstchen und Gelder. Ein Ziel der Reform ist es, diese Verbindungen zu kappen", sagt Waldenberger.

Starker Gegenwind

Wie stark der Widerstand dagegen ist, machte das knappe Abstimmungsergebnis am Dienstag deutlich: 51 Abgeordnete von Koizumis Regierungskoalition stimmten nicht mit dem Ministerpräsidenten - und das, obwohl er die Abstimmung mit einer Vertrauensfrage verbunden und so mit Neuwahlen gedroht hatte. Nun muss noch das Oberhaus den Gesetzen zustimmen. Da Koizumi dort über eine geringere Mehrheit verfügt als in der ersten Parlamentskammer, kann den Ausgang derzeit niemand voraussagen.

Die größte Kapitalsammelstelle der Welt

Falls die Gesetze in Kraft treten, werde dies das gesamte öffentliche Finanzsystem Japans umwälzen, sagt der Ökonom Waldenberger: "Die japanische Postbank war bis vor kurzem keine Bank, sondern die größte Kapitalsammelstelle der Welt." Sie habe ihre Gelder zu einem garantierten Zins an den Staat weitergegeben, der die Mittel in einem Investitionsplan verteilte. "Das Geld floss in die Infrastruktur und andere öffentliche Investitionsprojekte, die ihre Rendite meist nicht erzielten." Während die Postbank so hoch profitabel blieb, seien die Verluste im Staatshaushalt aufgetaucht. Dieses System sei zwar schon im April 2001 aufgebrochen und die Gelder am Markt platziert worden, aber: "Wenn man sich die Geldströme anschaut, sieht man, dass es strukturell kaum eine Veränderung gab. Nach wie vor sind die öffentlichen Institutionen die Kreditnehmer."

Die Reform werde den Wettbewerb im japanischen Finanzsystem fördern, glaubt Waldenberger. Die Postbank werde nicht nur international tätig werden, sondern könne in Kooperation mit ausländischen Kreditinstituten auch neue Geschäftsfelder aufbauen: "Wenn sich nun der Marktmechanismus breit macht, gibt es auch Chancen für ausländische Insitute. Das Finanzsystem Japans wird eine ganz neue Dynamik entfalten."