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Die Grünen sind gut aufgestellt

Jens Thurau1. Dezember 2003

Erfolgreich war der Dresdner Parteitag für Bündnis90/Die Grünen. Die alternative Partei hat sich etabliert und will sich als die Partei Europas in Deutschland präsentieren, das war das Signal, meint Jens Thurau.

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Den stärksten Applaus bekam der Bundesaußenminister: Als Joschka Fischer auf diesem Parteitag noch einmal für einen EU-Beitritt der Türkei warb, jubelten ihm die rund 840 Delegierten zu. Das war deshalb bemerkenswert, weil Fischer gar nicht im Saal war, sondern in Neapel. Per Videoschirm sprach der heimliche Vorsitzende der Grünen zu den Seinen, vom Treffen der EU-Außenminister, aus 2000 Kilometern Entfernung. Und ein bißchen war es so, als ob die Grünen ihren Joschka herbeisehnten nach Dresden, damit endlich etwa passiert in den Hallen.

Es war ein nüchterner Parteitag, ein Arbeitsparteitag. Keine Nervosität, kein Frust, keine Verbitterung wie vor kurzem bei der SPD. Die Grünen stehen ebenso wie die Sozialdemokraten in diesem Wochen der Reformen unter heftigem Druck, aber sie sind präpariert, besser als der große Koalitionspartner. Auch sie haben Bauchschmerzen, wenn jetzt harte Einschnitte im Sozialsystem nötig sind, aber sie haben begriffen, daß es keinen anderen Weg gibt. Sie zweifeln nicht ständig wie die Sozialdemokraten, vielleicht sind sie deshalb so stabil in den Umfragen.

In Dresden widmeten sie sich dem Thema Europa. Hier wollen die Grünen einen neuen Akzent setzen: Gegen enges nationalistisches Denken, gegen rückwärtsgewandte Ängste bei einer Erweiterung der Gemeinschaft. Mit grünen Parteien aus 22 europäischen Ländern wollen sie gemeinsam Wahlkampf machen für die Europawahlen im kommenden Sommer. Und sie stellten ihre Kandidatenliste auf. Dabei blieb die von vielen erwartete Demontage der umstrittenen Parteichefin Angelika Beer aus: Platz fünf ist für die Verteidigungsexpertin eine ehrliches Ergebnis: Nicht ganz vorn wollten die Delegierten sie sehen, aber auch nicht gedemütigt.

So waren die Journalisten denn froh, dass wenigstens beim Thema Vermögenssteuer etwas Pfeffer in die Debatte kam. Den Grünen ist klar: Die Menschen in Deutschland empfinden die Reformen auf dem Arbeitsmarkt und im Sozialsystem als sozial unausgewogen. Und anders als die SPD trauen sich die Grünen, ein Opfer auch von den Bessergestellten zu fordern. Aber auch hier gilt: Immer mit der Ruhe. Das Ansinnen des linken Flügels, auch das Vermögen kleinerer Betriebe besteuern zu wollen, wurde zurückgewiesen. Damit konnte die Parteiführung leben. Ohnehin ist die Realisierung einer Wiedereinführung der Vermögenssteuer unwahrscheinlich. Denn die Vermögenssteuer wird in den Ländern erhoben, der Bundesrat muß zustimmen – und die Union ist dagegen.

Fazit: Unaufgeregt arbeiteten sich die Grünen in Dresden durch die Tagesordnung, mitten im Reformstreß. Es kommt jetzt nicht mehr auf Parteitagsbeschlüsse an, sondern auf den Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat. Dort wird bis Mitte Dezember entschieden, welche Reformen kommen und welche nicht. Also gönnten sich die Grünen in Dresden etwas Ruhe. Es wird noch hektisch genug, wenn die Parteispitze im kommenden Jahr die möglichen Kompromisse mit der Union durch die Parteitage bringen muß. Wenn es denn Kompromisse gibt.