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Die "Grande Dame" der multimedialen Kunst

Soraia Vilela2. Juli 2003

Mit "The Record of the Time" widmet das Düsseldorfer Museum Kunst Palast der Künstlerin und Popsängerin Laurie Anderson eine Hommage. Die Schau umfasst ihr Werk von den 1970er Jahren bis heute.

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Performance-Künstlerin und Sängerin Laurie AndersonBild: AP

Wer älter als 30 Jahre ist, mag sich noch an sie erinnern: Ihr Name war Anfang der 1980er Jahre mit der Avantgarde verbunden und ihr Werk eine der ersten Schnittstellen zwischen Kunst und Computer. Laurie Anderson gehörte der "zweiten Generation" der so genannten multimedialen Künstler an. Als sie 1966 nach New York kam, war es erst 15 Jahre her, dass John Cages Stück "4'33'' in der Carnegie Hall von einem bewegungslos am Klavier sitzenden David Tudor aufgeführt worden war. Die Kunst vermischte sich gerade mit den "neuen Technologien", und Anderson verlieh dieser Verwicklung ein eigenes Gesicht.

Der Besuch der Ausstellung im Museum Kunst Palast mag bei manchem ein nostalgisches Gefühl hervorrufen: Die damals "hoch moderne" Blondine mit den Igelhaaren, die im weißen Satinanzug den mit Sensoren bestückten eigenen Körper als Instrument benutzte ("Home of the Brave", 1985), ist heute schon Geschichte. Und wird im Museum präsentiert. Schnell gewinnt man den Eindruck: Laurie Anderson war die Ikone der 1980er schlechthin.

Gegen den Medienüberfluss

Laurie Anderson Ausstellung in Düsseldorf
Szene aus "Home of the Brave” von Laurie Anderson

Die Düsseldorfer Retrospektive zeigt, wie aktuell ihre Arbeit noch ist und wohl auch bleibt. Die Ausstellung "The Record of the Time" zeigt in erster Linie Andersons Arbeit mit Lauten und Klängen. Die letzten Werke Andersons sind fast ein Manifest gegen die Unverdaulichkeit des heutigen Medienüberflusses. Die "Oma" der multimedialen Kunst kehrt zu einfachen Mitteln zurück – unter anderem zu ihrem eigenen Körper. Ein Beweis dafür, dass sie noch immer gegen den Mainstream marschiert.

Ein gutes Beispiel hierfür ist ihre CD-ROM "The Puppet Motel" (1995), die sich jeglicher anstrengungsloser Interaktion mit dem Betrachter verweigert. Im Labyrinth der verwobenen Szenerien bietet Anderson sogar die Möglichkeit, Fjodor Dostojewskis Werk "Schuld und Sühne" zu bearbeiten. Aber dank der Absicht der Künstlerin, dem Betrachter (und nicht dem "User", wie sie selbst betont) nichts zu schenken, scheint es, als ob eine der Angestellten des Museums, die das Werk beaufsichtigt, die Einzige wäre, die den Umgang mit der CD-ROM genießt. So viel Zeit um die Komplexität dieser Anwendung zu dechiffrieren bleibt dem normalen Museumsbesucher in der Regel nicht.

Geschichtenerzählerin

Laurie Anderson Ausstellung in Düsseldorf
Laurie Anderson - Ausstellung in DüsseldorfBild: Frank Micelotta

"Seit dreißig Jahren besteht meine Arbeit hauptsächlich aus Musik und Performance, wobei ich schon immer mehrere Kunstformen kombiniert habe. Ein typisches Großprojekt besteht aus Film oder Video, Animationen, digitaler Bearbeitung, Musik, Elektronik und Geschichten. Aber den roten Faden bilden die Geschichten", beschreibt Anderson ihre Arbeit. Die Art, wie diese erzählt werden, so die Künstlerin, verweise auf ein Zitat des französischen Filmregisseurs Jean-Luc Godard: "Jede Geschichte sollte einen Anfang, eine Mitte und ein Ende haben, wenn auch nicht unbedingt in dieser Reihenfolge."

Mit diesen und jenen Geschichten, die die traditionellen Erzählformen weit hinter sich lassen, ist Anderson auch heute noch immer präsent. Nach einem Viertel Jahrhundert setzen sich Teenager und Senioren zum Beispiel weiterhin brav an ihren "Handphone Table" (1977): Ein Holztisch, in den Kassettendecks und leistungsstarke Treiber eingebaut wurden, die den Klang komprimieren und an Stahlstiften nach oben leiten. Die Spitzen dieser Stifte berühren vier Stecker, die in die Oberfläche des Tisches eingebettet sind. Wenn man die Ellbogen auf diese Stecker stützt, wird der Schall durch die Armknochen hinauf geleitet. Deckt man dann noch die Ohren mit den Händen ab, hört man die drei Lieder, die Anderson für diese Installation geschrieben hat. "Am besten gefiel es mir, dass der Kopf auf die Hände gestützt wird – ein Zustand irgendwo zwischen Depression und Meditation", so die Künstlerin zu ihrem Werk.

"The Record of the Time" wurde in Zusammenarbeit mit dem Musée d'Art Contemporain de Lyon konzipiert und wird demnächst auch im Padiglione d'Arte Contemporanea in Mailand präsentiert. Im Düsseldorfer Museum Kunst Palast ist die Ausstellung mit insgesamt 90 Arbeiten der Künstlerin - unter anderem Fotografien, Videos, Objekte, Zeichnungen, Installationen und von Anderson handgeschriebenen Wandtexten - bis zum 19. Oktober 2003 zu sehen.