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Die große Dame des politischen Journalismus ist tot

12. März 2002

Ihr Name steht für Toleranz, Versöhnung und Verständigung: Marion Gräfin Dönhoff. Die Publizistin zählte zu den renommiertesten deutschen Journalisten. Sie starb am Montag (11.3) mit 92 Jahren nach längerer Krankheit.

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Marion Gräfin DönhoffBild: Werner Bartsch

Gräfin Dönhoff hatte als langjährige Chefredakteurin und Herausgeberin das Profil der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" mitgeprägt. 1971 erhielt sie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels für ihr Engagement in der Ostpolitik. Dönhoff ist unter anderem mit Büchern wie "Weit ist der Weg nach Osten" (1985) und "Im Wartesaal der Geschichte. Vom Kalten Krieg zur Wiedervereinigung" hervorgetreten. Sie galt als eine der meistgelesenen Kommentatoren in Deutschland. Gräfin Dönhoff sei eine der herausragenden intellektuellen und moralischen Instanzen, hieß es in der für sie gehaltenen Laudatio anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Birmingham im Jahre 1999.

Der Kampf für die Freiheit trieb sie in den Widerstand

Gräfin Dönhoff, die mit vielen Preisen für ihre Arbeit ausgezeichnet wurde, stammte aus einem alten Adelsgeschlecht in Ostpreußen. Auf dem Familienschloss Friedrichstein bei Königsberg am 2. Dezember 1906 geboren, prägte preußisch-protestantisches Pflichtgefühl mit Tugenden wie Ehre, Verantwortung, Edelmut und Fairness ihre Erziehung. Als das wichtigste in ihrem Leben galt ihr selbst die Freiheit, die sie in keiner Situation freiwillig aufgeben wollte.

Mit Beginn der Naziherrschaft kehrte sie Deutschland zunächst den Rücken und studierte Volkswirtschaft in Basel. Gemeinsam mit Freunden bereitete sie das Attentat auf Adolf Hitler vor, das am 20. Juli 1944 scheiterte. Im Frühjahr 1945 ging ihr Familienbesitz in Ostpreußen in Flammen auf. Gräfin Dönhoff flüchtete per Pferd Richtung Westen. Sie landete in Hamburg und, wie sie selbst sagte, "eher zufällig im Journalismus".

Ihr Interesse galt immer der Außenpolitik

Trotz Vertreibung, Verlust von Heimat und Besitz, kannte "die Gräfin", wie sie von ihren Kollegen genannt wurde, keine Gefühle von Hass. Revanchistischen Thesen setzte sie zeitlebens liberale Positionen entgegen. 1968 übernahm sie die Chefredaktion der "Zeit", seit 1972 fungierte sie als Herausgeberin. Auch im hohen Alter verbrachte sie noch Stunden an ihrem Schreibtisch im Verlagsgebäude. Vielen Journalisten galt sie als Vorbild für Integrität. "Sie hat niemals etwas geschrieben, was sie nicht so meinte, wie sie es schrieb", urteilte einst der Verleger Gerd Bucerius anerkennend.

In Vorträgen und Artikeln kommentierte Gräfin Dönhoff politische Fragen der Gegenwart - bezog Stellung zur Apartheid in Südafrika, zum deutsch-amerikanischen Verhältnis, selbst Kritik an Israels Palästina-Politik waren für sie kein Tabu. Die zierliche Frau mit ihren hellblauen Augen - und einer Vorliebe für schnelle Autos - blieb unverheiratet und kinderlos. Zufrieden hatte sie zu ihrem 90. Geburtstag auf ihr Leben zurückgeblickt: "Ich würde alles wieder genau so machen." (fro)