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Die harte Schule der Rückkehr

Andréa Vermeer22. Februar 2006

Immer mehr Kurden kehren aus Europa zurück in den Irak. Für die Kinder wurde im Nordosten des Irak eine eigene Schule gegründet - ein Projekt, das zu scheitern droht. Die Kulturunterschiede scheinen zu groß.

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In einer traditionellen Schule kämen die Rückkehrer nicht zurechtBild: picture-alliance/ dpa

Die meisten Schüler und Schülerinnen, die die Gasha-Schule besuchen, sind in Deutschland aufgewachsen. So auch die 17-jährige Tawi Kadr, die bis vor kurzem in Köln gelebt hat. Vor vier Monaten sind ihre Eltern umgezogen. "In den ersten Monaten habe ich absolut gar nichts realisiert. Ich war nur traurig und habe geweint, bin nie raus gegangen. Ich gehe eigentlich immer noch nicht raus, ich kenne hier niemanden", erzählt sie. "Die Leute hier sind anders. Du kannst hier einfach gar nichts machen, sonst fangen die Leute sofort an zu lästern". Tawi ist umringt von ihren Freundinnen und Freunden. Auch ihnen ist es bei der Rückkehr in den Irak nicht viel besser ergangen. Die Umstellung fällt ihnen sehr schwer.


Der Unterricht an der Schule erfolgt in zwei Schichten. Vormittags haben die Kleinen von acht bis zwölf Uhr Unterricht - am Nachmittag sind die Großen dran. So haben die Kinder jeweils nur vier Stunden Unterricht. Doch, so erzählen sie, die Lehrer erscheinen manchmal erst gar nicht.

Probloem Sprache

Ein weiteres Problem ist die Verständigung. Die Schülerinnen und Schüler kommen aus 17 verschiedenen Ländern, die meisten aus Deutschland und den Niederlanden. Sie alle sprechen zwar umgangssprachlich Sorani-Kurdisch, doch die wenigsten von ihnen haben in dieser Sprache Schreiben oder Lesen gelernt.

Dadurch können die meisten Schüler ihre Lehrer kaum verstehen, geschweige denn die Schulbücher lesen. Die Schulleitung zeigt dafür wenig Verständnis: Dies sei Sache der Eltern. So unterrichten die Lehrer stur in ihrer Sprache, und die Schulbücher sind mit arabischen Schriftzeichen auf Sorani geschrieben.

Verlieben verboten

Insgesamt bemühen sich 19 Pädagogen um die Schüler, allerdings geht es nicht immer um den Unterrichtsstoff: "Lernen kann man das nicht nennen, es gibt täglich Streit, und ich frage mich, warum? Ich finde, dass wir nichts falsch machen. Was sollen wir hier schon falsch machen?", fragt die 17-jährige Tawi. Der Umgang zwischen Jungen und Mädchen ist eines der Probleme. Zwar gebe es ein, zwei Pärchen, aber das sei doch nicht schlimm, sagt Tawi Kadr. "Wenn man sich verliebt, kann man doch nichts dafür. Die Lehrer akzeptieren das überhaupt nicht. Letztens haben sie uns sogar damit gedroht, dass sie Mädchen und Jungen getrennt unterrichten wollen."

Die rund 200 Schüler der Gasha-Schule sind Außenseiter. Wenn die Schule um 16 Uhr zu Ende ist, gibt es regelmäßig Schlägereien, manchmal sogar zu Messerstechereien. Vor der Schule lauern bereits einheimische Jugendliche den "Ausländern" auf. Die umstehenden Erwachsenen greifen nur selten ein.

Eigentlich sollte die Gasha-Schule Kindern wie Tawi helfen, sich in der Heimat ihrer Eltern wohl zu fühlen. Zudem sollte sie verhindern, dass die Rückkehrer vollkommen isoliert leben. Das Schulprojekt wurde gegründet, damit beide Seiten voneinander profitieren können. Die Kinder haben im Ausland viel gelernt und könnten dadurch ihren Mitschülern noch etwas beibringen. Die Lehrer hätten die Möglichkeit, von der Bildung ihrer Schüler zu profitieren.

Niemand zufrieden

Doch wie es scheint, ist das Schulprojekt im Moment gefährdet, weil niemand mit dem Ergebnis zufrieden ist. Dabei geht es weniger um den Unterricht selbst, als um das Verhalten der Schüler. Tawi begreift das alles nicht: "Die Schule wurde extra für uns gemacht. Sie drohen uns jede Woche damit, die Schule zu schließen, weil wir uns angeblich nicht benehmen können."


Gleich vorne am Eingang teilen sich vier Schuldirektoren ein kleines Büro. Seit Ende August sitzt hier Nigar Ismali Mahmud als Schuldirektorin für die älteren Schüler. Früher hat sie in einem Büro der UN gearbeitet, dann hat man ihr diese Stelle angeboten. "Wir haben täglich Probleme, und unsere Lehrer haben große Schwierigkeiten. Diese Schüler sind anders als unsere Schüler hier. Zurzeit bin ich auf der Suche nach einem Physiklehrer. Sobald sie aber etwas über diese Schule hören, wollen sie nicht mehr hierher kommen", sagt Nigar Ismali Mahmud. Ähnlich wie die Schüler, ist auch die Schuldirektorin verunsichert. Sie findet, dass das Schulprojekt eine tolle Idee ist, nur weiß sie nicht, wie sie zwischen den Schülern und Lehrern vermitteln kann.

Sollte die Schule tatsächlich geschlossen werden, dann wäre das für die meisten Kinder und Jugendlichen eine Katastrophe. Ihre Integration in die Heimat ihrer Eltern wäre damit fehlgeschlagen.