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Die Hauptstadt und das Weltklima

Peter Stützle16. März 2007

Seit 1999 ist die deutsche Regierung wieder in Berlin. Die ganze Regierung? Nein, Teile sitzen immer noch in der alten Bundeshauptstadt Bonn. Jetzt ist die Diskussion über den Sinn dieser Regelung neu entbrannt.

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Als 1989/90 der Zusammenbruch des Sowjetsystems die Weltordnung durcheinanderwirbelte, da wurde in Deutschland nichts so heiß diskutiert wie die Frage, ob nun Berlin wieder Hauptstadt eines wiedervereinigten Deutschlands werden sollte. Keine Frage, sagten Umzugsbefürworter, so war es über Jahrzehnte verkündet worden für den nun eingetretenen Fall, Bonn war von Anfang nur als provisorische Hauptstadt gedacht. Aber jetzt, entgegneten die Umzugsgegner, haben wir nun mal in Bonn einen funktionierenden Parlaments- und Regierungssitz; haben wir denn nichts Wichtigeres zu tun, als all das noch einmal neu in Berlin zu bauen?

Die beiden Lager waren tief gespalten. Eine (immer noch hauchdünne) Bundestagsmehrheit für den Umzug kam am Ende überhaupt nur dadurch zustande, dass man ins Bonn-Berlin-Gesetz schrieb: Nur die politisch wichtigsten Teile der Regierung ziehen nach Berlin, die mehr administrativen verbleiben in Bonn.

Amtsstubenverlagerung als Wirtschaftsförderung?

Der Pulverdampf von damals ist verraucht, von den hochgehängten Befürchtungen und Erwartungen hat sich kaum etwas erfüllt. Weder ist erkennbar, dass der zentralistische Sog einer Hauptstadt Berlin die föderale Vielfalt Deutschlands erstickt, noch würde heute noch jemand behaupten, in Berlin wären die Politiker näher an den Sorgen und Nöten der Menschen und würden deshalb eine bessere Politik machen. Der beschworene Niedergang Bonns ist nicht eingetreten - im Gegenteil, die Stadt boomt - und Berlin wartet bis heute auf den vom Umzug erhofften Wachstumsschub.

Aber - so paradox es klingt - gerade weil der Teilumzug Berlin nicht den erwarteten Aufschwung gebracht hat, pocht die Stadt nun auf den Totalumzug: Wenn schon die Wirtschaft nur zögerlich Arbeitsplätze in der Hauptstadt schaffe, solle nun wenigstens die Regierung ihre Pflicht tun. Amtsstubenverlagerung als Wirtschaftsförderung - ganz so direkt sagt man es freilich auch wieder nicht.

Totalumzug auf Pump

Vielmehr verweisen die zahlreicher oder vielleicht auch nur lauter werdenden Totalumzugs-Befürworter auf den Effektivitäts-Gewinn, wenn alle Regierungsorgane an einem Ort wären. Wie viele tausend Dienstreisen man alleine sparen könnte! Die "Gesetzestreuen“ halten dagegen: Ganze zehn Millionen Euro habe die Regierung im vergangenen Jahr für Bonn-Berlin-Flüge von Beamten ausgegeben. Ein Totalumzug auf Pump dagegen - der Staat hat das Geld schließlich nicht in der Schatulle - würde allein an jährlichen Zinskosten das Zehnfache verursachen.

Apropos "gesetzestreu“: Der wissenschaftliche Dienst der Bundestages hat gerade ein Gutachten vorgelegt, nach dem das Bonn-Berlin-Gesetz von 1991 mit der darin festgelegten Aufgabenteilung zwischen beiden Städten kein unüberwindliches Hindernis für einen Totalumzug ist. Ein Gesetz könne man schließlich jederzeit mit einfacher Mehrheit ändern. Dieses Gutachten hat den Umzugs-Befürwortern gewaltigen Auftrieb gegeben. Und, darauf muss man erst mal kommen, die Klimadiskussion: Die Beamtenflüge belasteten schließlich das Weltklima, da müsse man etwas unternehmen. Koste es, was es wolle.