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Die heiße Phase beginnt

Gerda Meuer19. Januar 2003

Der Konvent für eine europäische Verfassung berät jetzt über die Aufgabenverteilung der drei zentralen EU-Institutionen: Rat, Parlament und Kommission. Die große Frage lautet: kommt die Doppelspitze?

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Ob einigen in der EU doch noch das Lachen vergeht?Bild: dpa

Fast ein Jahr hatte der Konvent mehr oder weniger still vor sich hingearbeitet - doch jetzt erreichen die Verhandlungen die heiße Phase. Denn zum ersten Mal liegt ein konkretes Papier auf dem Tisch, das beschreibt, wie die Macht in der Europäischen Union künftig verteilt werden könnte. Autoren sind der deutsche und der französische Außenminister, Joschka Fischer und Dominique de Villepin. Doch die Verantwortung für den weitreichenden Entwurf liegt bei Staatspräsident Jacques Chirac und Bundeskanzler Gerhard Schröder, die damit nebenbei zum 40. Jahrestag des Elysée-Vertrages bewiesen, wie lebendig und unverzichtbar die Kooperation zwischen Berlin und Paris ist.

Ein Gesicht für Europa

Und auch weil an den beiden größten EU-Staaten niemand in Europa vorbei gehen kann, werden die 105 Männer und Frauen im Konvent an diesem Montag und Dienstag (20./21.1.) ganz genau hinsehen müssen, ob Europa als Ganzes mit den deutsch-französischen Plänen leben kann. Denn der Vorschlag ändert die Aufgabenverteilung in der Union erheblich. Kern ist die Schaffung des neuen Amtes eines hauptberuflichen EU-Ratspräsidenten, der Europa ein Gesicht geben soll. Der neue Präsident wird dem Vorschlag zufolge vom Europäischen Rat, dem Gremium der Staats- und Regierungschefs, gewählt und bis zu fünf Jahre im Amt sein.

Gleichzeitig soll jedoch wie bisher ein zweiter Präsident der EU-Kommission vorstehen, so dass die EU künftig von einer Doppelspitze regiert würde. Dafür wird eine Ebene tiefer gekürzt. Die Ämter des bisherigen Außenkommissars Chris Patten und von EU-Chefdiplomat Javier Solana sollen zusammengelegt werden, so dass Europa einen gewichtigen Außenminister hätte.

Der Widerstand der Kleinen

Die deutsch-französischen Pläne sind seit knapp einer Woche publik; sie haben bislang aber noch keine Jubelstürme hervorgerufen. Vor allem die kleineren EU-Staaten lehnen einer Umfrage zufolge die neue Machtverteilung ab. Für die Holländer kommt es etwa gar nicht in Frage, dass mit dem neuen EU-Präsdenten die halbjährliche Rotation des Vorsitzes abgeschafft würde. Auch Portugal wehrt sich gegen den neuen starken Mann an der Spitze der Union, der, so der Verdacht der Kleinen, vor allem die Großen im Europäischen Rat stärke.

Aznar auf EU Gipfel in Sevilla
Jose Maria AznarBild: AP

Von eben diesen großen EU-Staaten kommt denn auch mehr oder weniger starke Unterstützung. Spaniens Ministerpräsident Aznar begrüßte die Initiative, was nicht so sehr verwundert, wenn man weiß, dass ihm Ambitionen auf das Amt des EU-Präsidenten nachgesagt werden. Auch die Briten und die Italiener reagierten spontan eher positiv, sehen jedoch noch Korrekturbedarf.

Jetzt sind die Männer und Frauen im Konvent dran, die Vorschläge zu prüfen und ihnen vielleicht eigene Ideen zur Seite zu stellen. Bis zum Ende Präsidentschaft der Griechen haben sie Zeit, an dem Gesamtwerk einer EU-Verfassung zu bauen. Im Juni in Thessaloniki soll die Zukunft Europas auf dem Papier stehen.