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Die "Heimatfront" steht - noch

Jörg Brunsmann28. Oktober 2003

Trotz der schweren Attentate im Irak auf US-Soldaten und internationale Hilfsorganisationen weiß US-Präsident Bush die Mehrheit seiner Bevölkerung hinter sich. Die Zahl der Kritiker aber nimmt zu.

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Mehr als 30 Tote, mehr als 230 Verletzte beim Attentat auf das Rote Kreuz in BagdadBild: AP

Am Montag (27.10.2003) erschütterte eine bisher beispiellose Reihe von Attentaten die irakische Hauptstadt Bagdad. Bei insgesamt acht Anschlägen kamen – nach Angaben irakischer Behörden – mindestens 34 Menschen ums Leben; mehr als 200 wurden verletzt. Die Attentäter, so mutmaßen die Vereinten Nationen, wollen mit den Anschlägen bewusst Ausländer abschrecken und aus dem Irak vertreiben – ein von der Welt zurückgelassener und destabilisierter Irak, das scheint ihr Ziel zu sein.

Wer soll im Irak eingreifen - wenn nicht die USA?

Gegengewicht und Ordnungsmacht sind die USA – nach der Eroberung des Irak bleiben sie die einzige Nation, die militärisch und wirtschaftlich überhaupt in der Lage ist, den Irak dauerhaft zu befrieden. Eine Mission, deren Gelingen nicht vorprogrammiert ist: Je länger der Einsatz der US-Streitkräfte dauert und je mehr amerikanische Soldaten im Irak ihr Leben lassen, desto lauter werden die kritischen Stimmen gegen die Politik von US-Präsident George W. Bush.

Bush und Powell in Bangkok, Militärisches Hauptquartier, Thailand 2003
Die Politik von US-Präsident Bush - hier zusammen mit Verteidigungsminister Powell auf Staatsbesuch in Thailand - gerät zunehmend in die KritikBild: AP

Am Samstag (25.10.2003) demonstrierten am Amtssitz des Präsidenten in Washington mehrere zehntausend Kriegsgegner aus den ganzen USA. Es war der größte Protest gegen die Irak-Politik der Regierung, seit Bush im Mai das Ende der größeren Kampfhandlungen erklärt hat. Was die Sache für Bush zur Zeitbombe werden lässt: Es sind nicht nur Idealisten und Kriegsgegner, die sich auf der Straße versammeln; viele der Demonstranten haben ganz eigene, handfeste Interessen. So forderten viele "Jobs statt Krieg". Statt – wie geplant – 87 Milliarden Dollar für Besatzung und Wiederaufbau des Iraks auszugeben, sollte dieses Geld lieber in die Schaffung von Arbeitsplätzen investiert werden.

Wirtschafts-Probleme drücken

Wirtschaftlich stehen die USA zurzeit längst nicht mehr so gut da wie noch vor wenigen Jahren. Bush musste in diesem Jahr ein Rekorddefizit von 374 Milliarden Dollar verkünden. Für 2004 droht sogar ein noch höheres Defizit. So prognostiziert der Budgetdirektor im Präsidialamt, dass das Defizit im kommenden Jahr wahrscheinlich auf über 500 Milliarden Dollar ansteigen wird.

Der Druck auf Bush steigt also, aber ist er schon so groß, dass er den Präsidenten zu Konsequenzen zwingt? Derzeit noch nicht – glaubt Richard Bernstein, Korrespondent der New York Times in Berlin. "Nach wie vor stehen mehr als 50 Prozent der Bevölkerung hinter Bush", so Bernstein im Gespräch mit DW-WORLD. Wie es in sechs Monaten oder einem Jahr aussieht, könne niemand sagen, aber derzeit seien die Amerikaner eher betrübt und besorgt über die Situation im Irak. "Die Menschen wissen, dass es keine Alternative zum Einsatz im Irak gibt: Was wir dort begonnen haben, müssen wir auch beenden. Das gilt auch in wirtschaftlicher Hinsicht: Es ist nicht die Frage, ob wir uns den Einsatz leisten können; in der derzeitigen Situation müssen wir ihn uns leisten."

Attentat auf Rotes Kreuz könnte Zusammenhalt festigen

Georg Schwarte, ARD-Korrespondent in Washington, sieht vermehrt Probleme für die Regierung Bush: "Die Umfragewerte für die Regierung sinken und viele fragen sich, ob in Sachen Irak die richtige Politik gemacht wird." So fordern manche Politiker, mehr und andere Truppen in den Irak zu schicken, um das Chaos endlich zu beenden. "Es gibt aber nur wenige im Land, die einen kompletten Rückzug der US-Truppen fordern; die meisten Menschen wissen: Ein Rückzug ist keine Alternative", meint Schwarte. Auf diese Weise könnte auch der Anschlag auf das Hauptquartier des Roten Kreuzes eher für eine regierungsfreundlichere Stimmung in den USA sorgen. "So wie nach dem Angriff auf das UN-Hauptquartier könnten auch jetzt viele Menschen sagen: Wenn sogar Zivilisten angegriffen und getötet werden, dann müssen wir erst recht dafür sorgen, dass im Irak wieder Frieden und Ordnung einkehren." Die Heimatfront in den USA also steht – noch zumindest.