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Mehr Macht für die Houthi?

Anne Allmeling9. Oktober 2014

Die jemenitischen Houthi-Rebellen haben die Hauptstadt Sanaa erstürmt. Jetzt wollen sie die Politik mitbestimmen - sehr zum Ärger vieler Jemeniten. Nur die Anhänger von Ex-Präsident Saleh dürften sich freuen.

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Houthi-Rebellen in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa - Foto: Mohhamed Huwais (AFP)
Bild: AFP/Getty Images

Als die Houthi-Rebellen vor gut zwei Wochen die Hauptstadt Sanaa erstürmten, waren viele Jemeniten überrascht. Zwar hatten sich die Kämpfer aus dem Norden des Landes in den vergangenen zehn Jahren immer wieder kriegerische Auseinandersetzung mit den Regierungstruppen geliefert. Aber dass sie plötzlich die Hauptstadt erobern würden - damit hatte kaum einer gerechnet.

Die Houthi haben ihre eigentliche Machtbasis im nördlichen Bergland in der Provinz Saada. Sie gehören zur Minderheit der Zaiditen und zählen sich - im Gegensatz zur sunnitischen Mehrheit der Jemeniten - zu den Schiiten. Nach der traditionellen Lehre der Zaiditen dürfen nur direkte Nachfahren des Propheten Mohammed die politische und religiöse Führung ihrer Gemeinschaft übernehmen. Die Familie der Houthi zählt dazu, die seit den 1990er Jahren die nach ihnen benannte Bewegung führt.

Politischer Machtkampf

Seit dem Abgang von Ali Abdullah Saleh, der den Jemen mehr als 30 Jahre lang autoritär regierte, gibt es im Jemen eine Regierung der Nationalen Einheit. Darin sind sowohl die Anhänger des ehemaligen Präsidenten vertreten, als auch Mitglieder der Opposition. Ihr gehören ganz unterschiedliche Gruppen an: die Revolutionäre der ersten Stunde, Islamisten, aber auch Sozialisten. Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi leitet die Geschicke des Landes. Er gehört zur gleichen Partei wie sein umstrittener Vorgänger, distanziert sich aber immer weiter von ihm - und muss sich jetzt mit einem innerjemenitischen Machtkampf herumschlagen, in dem er selber kräftig mitmischt.

Anti-Houthi-Demonstration in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa - Foto: Mohhamed Huwais (AFP)
Anti-Houthi-Demonstration in der jemenitischen Hauptstadt SanaaBild: Muhammed Huwais/AFP/Getty Images

Hadi war 18 Jahre lang Salehs Stellvertreter. Nach einem Attentat auf Saleh im Juni 2011 wurde Hadi zunächst amtierender Präsident. Anfang 2012 einigten sich fast alle jemenitischen Gruppen auf Hadi als Kompromisskandidaten und wählten ihn zum Staatschef. In den folgenden Monaten übernahm eine Gruppe von Politikern Schlüsselpositionen in der Politik, die sich im Zuge des so genannten Arabischen Frühlings gegen Saleh gestellt hatten.

Vorrücken der Houthi

Dazu gehört auch General Ali Mohsen, ein früherer Verbündeter von Saleh, hinter dem sich ein Teil der Armee versammelt hat. Als General unter Saleh hatte Ali Mohsen mit den jemenitischen Streitkräften gegen die Houthi gekämpft. Das haben die Rebellen aus dem Norden nicht vergessen. Während der vergangenen zwei Jahre versuchten sie, Ali Mohsen und seine Verbündeten in die Enge zu treiben. Zugleich konkurriert der General seitdem mit Präsident Hadi und dessen entmachtetem Vorgänger Saleh um die Macht im Land.

Unterstützt wird Ali Mohsen von den Anhängern der Revolution und den gemäßigten Islamisten. Die Houthi dagegen kämpfen gegen den General und seine Verbündeten. Seit Anfang des Jahres sind die Houthi dabei der Hauptstadt Sanaa immer näher gekommen. Als Präsident Hadi und seine Regierung dann drastische Energiepreiserhöhungen verkündeten, um den völlig überschuldeten Haushalt zu sanieren, sahen die Houthi ihre Chance: Sie setzten sich an die Spitze einer Protestbewegung, der sich fast alle politischen Gruppen im Jemen anschlossen.

Erstürmung von Sanaa

Die Houthi-Milizen verliehen dieser Bewegung Schlagkraft. Im Schatten der Proteste drangen sie in die Hauptstadt ein. Nach kurzen Kämpfen gegen die Ali Mohsen verbündeten Armee-Einheiten brachten die Houthi Sanaa unter ihre Kontrolle. Ali Mohsen ist seit einer Woche verschwunden. Beobachter vermuten, dass er nach Saudi-Arabien geflohen ist, weil er im Jemen um sein Leben fürchten muss. Die Houthi jedenfalls scheinen auf Revanche zu setzen. Schließlich sind in den Kämpfen zwischen ihnen und den Regierungstruppen im vergangenen Jahrzehnt Tausende Menschen ums Leben gekommen - die Mehrzahl der Opfer waren Houthi.

Rebellenführer Abdul-Malik Al-Houthi (Mitte) - Foto: Yahya Arhar (EPA)
Rebellenführer Abdul-Malik Al-HouthiBild: picture-alliance/dpa/Yahya Arhab

Auch Präsident Hadi dürfte daran interessiert sein, Ali Mohsen zu schwächen. Nur so kann er an Einfluss und Profil gewinnen - und seinen politischen Spielraum erweitern. Der Teil der Armee, der zu Hadi hält, hat jedenfalls kaum etwas unternommen, als die Houthi die Stadt einnahmen - vielleicht, weil die Rebellen dem Präsidenten in diesem Fall gelegen kamen.

Heimliche Allianz?

Ali Mohsen schwächen - dieser Gedanke dürfte auch dem ehemaligen Präsidenten Ali Abdullah Saleh gefallen. Schließlich musste Saleh auch wegen Ali Mohsen den Platz räumen. Die Hinweise darauf, dass der ehemalige Präsident die Rebellen aus dem Norden unterstützt, mehren sich jedenfalls. Saleh und die Houthi betrachten General Ali Mohsen, die Anhänger der Revolution und die Islamisten als gemeinsame Feinde.

Auf den von den Houthi angeführten Demonstrationen tauchten immer wieder Flaggen der Partei Salehs auf. Und nach der Einnahme der Stadt Sanaa durch die Rebellen tauschte der ehemalige Präsident sein Profil-Foto auf Facebook aus: Zu sehen ist jetzt ein grinsender Ali Abullah Saleh. Als Gewinner dürfte sich aber vor allem Rebellenführer Abdul-Malik Al-Houthi sehen, an dem in Jemen nun niemand mehr vorbeikommt. Für manche Jemeniten beginnt die Revolution erst jetzt.