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Besuch im Ortsverein

Monika Dittrich30. Mai 2008

Mitgliederschwund und miese Umfragen: Die SPD ist im Dauertief. Wie sieht es an der Basis aus? DW-Reporterin Monika Dittrich war zu Besuch in einem Ortsverein im Ruhrgebiet, dem Herz der Sozialdemokratie.

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SPD-Ortsverein in Duisburg (Quelle: DW/Monika Dittrich)
SPD-Ortsverein in Duisburg: Bei Bier und Apfelschorle wird über die Zukunft der Partei diskutiertBild: DW

Achim Hajdenik ist Sozialdemokrat aus Überzeugung. Und das seit 1966. "In den letzten Jahren musste ich allerdings ganz schön schlucken", sagt der Mann mit dem weißen Stoppelbart. Der jüngste Armutsbericht ist für Hajdenik der beste Beweis: "Vieles von dem, was die frühere rot-grüne Bundesregierung gemacht hat, das war einfach nicht sozial." Damit meint Hajdenik zum Beispiel die Reformen der Agenda 2010, die scharfen Einschnitte in Sozialleistungen durch die Hartz-4-Gesetze, aber auch die Rente mit 67. "Heute sehen wir, dass viele Menschen in Deutschland darunter leiden."

Achim Hajdenik zeigt seinen SPD-Mitgliedsausweis (Quelle: DW/Monika Dittrich)
Achim Hajdenik ist ein SPD-UrgesteinBild: DW

Hajdenik ist Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Duisburg Alt-Hamborn/Obermarxloh. Hier im Ruhrgebiet gibt es noch das traditionelle sozialdemokratische Milieu: Wo einst Kohle, Stahl und harte Arbeit den Ton angaben, da verstehen sich die Genossen als Rückgrat ihrer Partei, da schlägt das Herz der SPD. Auch wenn es immer schwächer wird.

Mitgliederschwund und Überalterung

"Wir mussten ganz schön Federn lassen", gibt Hajdenik zu. Sein Ortsverein hatte zu Spitzenzeiten fast 400 Mitglieder. Heute sind es noch 180. Das entspricht dem bundesweiten Trend. Zählte die SPD 1990 noch fast eine Million Mitglieder in ganz Deutschland, so sind es derzeit nur noch 530.000. Es sind nicht nur enttäuschte Genossen aus der Partei ausgetreten. Viele sterben einfach weg, und es kommen zu wenige junge nach.

Das macht sich auch bei der Versammlung des Duisburger Ortsvereins bemerkbar: Rund 30 Genossen sitzen an den langen Tischen im Ratskeller bei Bier und Apfelschorle, die meisten sind im Rentenalter. Einige tragen ihr Parteibuch seit 40 oder 50 Jahren und sind stolz darauf, Sozialdemokraten zu sein. Der 76-jährige Helmut Esser etwa erzählt, dass schon sein Großvater die SPD gewählt habe. Und sein Vater habe ihm mit auf den Weg gegeben, dass er aus einer Arbeiterfamilie stamme und es für den Sohn deshalb Ehrensache sei, ebenfalls SPD zu wählen. Diesen Rat habe er befolgt: "Toi toi toi! Ich bin dieser Partei immer treu geblieben."

Die Basis ist verunsichert

Helmut Esser und Manfred Faber (Quelle: DW/Monika Dittrich)
Ein Leben für die SPD: Helmut Esser und Manfred Faber (rechts)Bild: DW

Manfred Faber ist auch so ein sozialdemokratisches Urgestein: "Ich bin, bleibe und lebe für die SPD", sagt der 71-jährige. "Was mich aber aufregt, sind die dummen Entscheidungen der Parteiführung. Dadurch wird die Basis total verunsichert", schimpft Faber und schlägt mit der Faust auf den Tisch. Das Hickhack nach der Landtagswahl in Hessen, der Schlingerkurs bei der Bundespräsidentenwahl oder auch die unklare Haltung beim Besuch des Dalai Lama – dafür haben Faber und die anderen Genossen im Duisburger Norden kein Verständnis. Besonders unverschämt finden sie, dass die SPD-Bundestagsabgeordneten auf die Diätenerhöhung nur auf öffentlichen Druck hin verzichtet hätten.

"Die in Berlin machen uns immer wieder Probleme", klagt auch der Ortsvereinsvorsitzende Hajdenik. Schließlich seien es die Sozialdemokraten an der Basis, die auf Marktplätzen und in den Fußgängerzonen stünden, und die den Menschen dann erklären müssten, worüber in der SPD gerade gestritten werde. "Da fragt man sich schon, ob die da oben überhaupt wissen, was hier unten los ist." Die Genossen vor Ort seien es, die für undurchdachte Entscheidungen der Parteiführung geradestehen müssten.

Politische Rolle rückwärts

Insgesamt wünschen sich die Genossen in Duisburg eine klarere Linie und weniger taktisches Gerangel. "Wir brauchen wieder mehr Disziplin in der Partei", sagt einer. Deshalb wollen sie sich wohl auch nicht so recht an der Debatte über die Kanzlertauglichkeit ihres Vorsitzenden beteiligen. Leidenschaftliche Plädoyers für Kurt Beck sind hier zwar nicht zu hören, doch will ihm auch niemand von vornherein das Recht und das Können absprechen, Kanzlerkandidat zu werden. "Warten wir doch erst mal ab, wie der Kurt sich entscheidet", so das Credo.

Hajdenik ist inzwischen wieder ein bisschen versöhnt mit seiner Partei. Er beobachte derzeit eine politische Rolle rückwärts. Endlich würden wieder ur-sozialdemokratische Themen angepackt. Die SPD-Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn in ganz Deutschland findet er zum Beispiel richtig gut. Und auch in den Ortsvereinen gehe es aufwärts. Allein im April dieses Jahres konnte die SPD in Duisburg 33 neue Mitglieder begrüßen.