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"Die inkompetenteste Diktatur der Welt"

30. Dezember 2011

Nach dem Tod Kim Jong Ils inszenierte Nordkorea eine Trauerfeier, die Hollywood zur Ehre gereicht hätte. Die europäische Presse schaut gebannt auf das groteske Schauspiel und rätselt, wie es mit Nordkorea weitergeht.

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Zehntausende Nordkoreaner sind zu Kim Jong Ils Traufeierlichkeiten auf dem Kimilsung-Platz angetreten (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Der Tagesspiegel, Berlin

"Jeder gewiefte Theaterzuschauer erkennt an den Gesichtern der schier hysterisch klagenden Straßenfrauen oder der ordenbetressten männlichen Jammerlappen, wie die weinende und die lachende Maske einander ähneln und bedingen. In diesem Land, dessen Herrscher uns nun die Götzenbilder ihrer Wunschwelt liefern, hat Orwell offenbar gesiegt. Auch Hitler, Speer und Leni Riefenstahl, Stalin, Mao und ihre Zeremonienmeister könnten dem Staatstheater Pjöngjang nur heftigen Beifall spenden. Unsere eigene Gesellschaft, der per Twitter und Facebook gerade jegliche Diskretion abhanden kommt, schaut so in einer Mischung aus Grusel und Neugier über die Galaxis des globalen Informationsstroms hinweg in das kleine versteinerte Reich des Ominösen."

Le Monde, Paris

"Man kann sicher von einem birmanischen Szenario für Nordkorea träumen, wo die Anführer (...) sich entschließen könnten, ihren Bunker zu öffnen und auf vielseitigere Unterstützung des Auslands zu setzen, um einer völligen Abhängigkeit von China zu entgehen. Momentan führt der Realismus jedoch zu gemäßigteren Hoffnungen. Offensichtlich hat China nicht die Absicht, seinen nordkoreanischen Nachbarn loszulassen. (...) Über Peking führt also eine Lösung, die in dem chinesischen Modell für Nordkorea bestehen könnte (...). Die Amerikaner haben diese Zwänge verstanden. Auf der Suche nach einer Alternative zur Sanktionspolitik, deren Misserfolg offensichtlich ist, dürfen sie nicht darauf verzichten, Ideen voranzubringen, die völlig unerwartet in Birma ihren Weg gemacht haben."

La Republica, Rom

"Der 'Große Nachfolger' ist bereits jetzt ein Führer unter Vormundschaft. Pjöngjang verbreitet weiterhin Fernsehbilder von einem verzweifelten Nordkorea nach dem Tod von Kim Jong Il. In dem Regime gibt es derweil aber Bemühungen, einen Umsturz durchs Militär oder durch ein zum Hunger verurteiltes Volk zu verhindern, dem das Militär die Nahrung wegnimmt. Die "im Himmel geborene große Persönlichkeit" Kim Jong Un, wie er umgetauft worden ist, wird damit das Kommando der Nation nicht so rasch übernehmen. (...) Peking verhandelte mit Pjöngjang über eine Lösung, die Stabilität auf der koreanischen Halbinsel garantieren kann, die Märkte beruhigt sowie auch Russland, Japan und die USA. Der junge Kim Jong Un wird offiziell zwar der absolute Herrscher sein, aber als Vertreter eines Zentralkomitees, in dem Verwandte, hochrangige Kommunisten und treue Generäle sitzen."

El Pais, Madrid

"In Nordkorea ist die Generation der Enkel an die Macht gekommen. Kim III. steht nun an der Spitze der rätselhaftesten und inkompetentesten Diktatur, die die Welt seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt hat. Die Tatsache, dass der Tod von Kim Jong Il mit einer Verzögerung von 48 Stunden bekanntgegeben wurde, deutet darauf hin, dass der Nachfolger sich die Loyalität der Armee sichern musste. Ohne die Streitkräfte kann er das Land, das ständig am Rande einer Hungersnot lebt, nicht regieren. Der Westen sollte die Gelegenheit nutzen, Pjöngjang konstruktive Vorschläge zu unterbreiten. Vielleicht sieht der dritte Kim ein, dass nur eine Öffnung die Probleme dieser stalinistischen Reliquie lösen kann."

Aftenposten, Oslo

"Der Mangel an sicheren Erkenntnissen ist ein Dauerproblem für alle Länder, die von der Lage auf der koreanischen Halbinsel berührt sind. Besonders hohe Verantwortung liegt bei den Großmächten USA und China. Beide müssen zu richtigen und schnellen Reaktionen fähig sein, wenn es in Nordkorea völlig überraschende Ereignisse geben sollte. (...) Alles deutet darauf hin, dass sich Peking und Washington der Gefahren dort bewusst sind und ihr Äußerstes geben, um das Auslösen eines neuen Krieges durch Nordkorea zu verhindern. (...) Niemand weiß, was dort passieren wird. Am verantwortlichsten ist es, auf das Schlimmste vorbereitet zu sein."

Zusammengetragen von: Rodion Ebbighausen
Redaktion: Hao Gui