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Die inkonsequente Haltung des Westens

23. März 2011

Der Westen spricht viel von seinen Werten. Die arabische Revolte zeigt mit schmerzlicher Deutlichkeit auf, dass zwischen Anspruch und Wirklichkeit oft eine große Lücke klafft, meint Peter Philipp in seinem Kommentar.

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Themenbild Kommentar (Grafik: dw)
Bild: DW

Es sind kaum mehr als wohlfeile Schlagworte, wenn westliche Politiker in aller Welt von Freiheit und Demokratie sprechen und von der Notwendigkeit, diese hohen Güter zu verteidigen. Wenn die in Unfreiheit Lebenden aber versuchen, das Joch eines repressiven Regimes abzuschütteln, dann können sie sich nicht unbedingt darauf verlassen, dass den schönen Worten auch Taten folgen werden. Anders ist kaum zu erklären, wieso dieselben Politiker zwar gegen den einen Diktator – etwa Iraks Saddam Hussein – in den Krieg ziehen, mit dem anderen aber eng zusammenarbeiten, wie mit dem ehemaligen tunesischen Präsidenten Ben Ali.

Peinliche Kungelei mit Diktatoren

Porträt von Peter Philipp (Foto: dw)
Nahost-Experte Peter Philipp

Natürlich gibt es klar definierte völkerrechtliche Bestimmungen, die das Recht zur Intervention in anderen Staaten eingrenzen. Über die wird im Ernstfall aber locker hinweggeschaut. Wie jetzt im Fall Libyens. Den USA – dem "üblichen Verdächtigen" in solchen Fällen – kann hier nicht einmal ein Vorwurf gemacht werden: Barack Obama zögerte und wurde schließlich von Paris in einen Krieg hineingezogen, der vielleicht gerade die peinliche Kungelei zwischen Sarkozy und Gaddafi in den letzten Jahren vergessen lassen soll.

Aber auch die anderen kungeln mit diktatorischen Herrschern. In Washington und manchen anderen Hauptstädten ist man den Tunesiern und den Ägyptern sicher dankbar, dass sie ihre Revolution selbst durchgeführt haben und nicht um Hilfe von außen baten. So stellt man sich schnell hinter die neuen Herren, als hätte man den Wechsel ja immer schon unterstützt.

Öl und Wirtschaftsinteressen als Grund für Interventionen

In Libyen funktioniert dies nicht, weil die Opposition zu schwach ist und der Ölreichtum zu groß. Man darf der Opposition nicht zum Sieg verhelfen – das wäre Intervention pur. Auf das libysche Öl will man aber auch nicht verzichten. Deshalb also die zweifelhafte Konstruktion eines humanitären Militäreinsatzes.

In Saudi-Arabien und Bahrain, wie in den anderen arabischen Golfstaaten, spielen wieder Öl und Wirtschaftsinteressen sowie der Streit mit dem Iran eine wichtigere Rolle als die Unterstützung von Demokratiebestrebungen. Im Jemen ist es die Rolle, die Präsident und Hilfssheriff Saleh im Kampf gegen "Al Kaida" bisher gespielt hat. So einen Mann schwächt man doch nichr.

Je länger man aber genau das nicht tut, desto entschiedener wird die Abkehr der Menschen in diesen Ländern vom Westen und seinen angeblichen Werten an dem Tag sein, an dem sie sich ihre Freiheit erkämpft haben. Das mag hier kürzer und dort länger dauern, aber der Prozess scheint unumkehrbar: Nach der Befreiung vom Kolonialismus kommt die Befreiung von den eigenen Gewaltherrschern.

Autor: Peter Philipp
Redaktion: Hans Spross/Marco Müller