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Korruption in Andalusien

Markus Böhnisch (Sevilla) 22. März 2015

Nur zweieinhalb Stunden braucht der Hochgeschwindigkeitszug AVE für die 650 Kilometer von Madrid nach Sevilla. Und doch ist es eine Zeitreise - vor allem politisch. Aus Sevilla berichtet Markus Böhnisch.

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Plaza de Espana in Sevilla
Bild: O. AndersenAFP/Getty Images

Seit fast 34 Jahren werden die mehr als acht Millionen Andalusier von der PSOE, der Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens regiert. Keine andere spanische Region besitzt eine derart dauerhafte politische Prägung. Andalusien gilt zudem als letzte Bastion der Sozialisten, die in den vergangenen Jahren die Mehrheit in einigen anderen autonomen Regionen verloren haben. Doch der Gegenwind nimmt auch in Andalusien zu. Die Häufung von Korruptionsfällen in den vergangenen Jahren beschleunigt diese Entwicklung. 114 Fälle zählt die Zeitung "El Mundo" nur für Andalusien. Und immer mehr Menschen bringen die Korruption mit der sozialistischen Dauermehrheit in Verbindung. Luis Escribano, Anti-Korruptionskämpfer:

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Korruption gehört zum Alltag

Für die Gegner der Sozialisten hat sich die Regierung zu einer Herrschaft entwickelt. Die Korruptionsfälle, die seit Jahren den politischen Alltag und die Berichterstattung bestimmen, sehen die Regierungsgegner als Auswuchs dieses "Regimes". Pedro de Tena hat darüber unter dem Titel "Das andalusische Spinnennetz" ein Buch geschrieben. Darin zeigt er detailliert die Zusammenhänge zwischen Personen und Korruptionsfällen auf. Die Verflechtungen zeigen sich aber auch unterschwellig im Alltag:

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Spektakuläre Fälle von Korruption ziehen sich in Spanien durch fast alle großen oder kleinen Parteien. Selbst Regierungschef Mariano Rajoy kämpft mit Vorwürfen, er habe von illegalen Zahlungen des ehemaligen Schatzmeisters der konservativen Volkspartei (PP) profitiert. Beweise gibt es dafür bislang nicht, Gerüchte aber genug.

Systematische Veruntreuung

Doch auch wenn Ausprägungen der Korruption in Spanien generell weit verbreitet sind, so fällt in Andalusien eine besondere Häufung auf. Erst waren es vor allem Fälle entlang der Küste, die mit dem Immobilienboom zusammenhingen und in die Lokalpolitiker verstrickt waren. Die zuletzt aufgedeckten Machenschaften beschreiben jedoch eine andere Qualität. Ein Beispiel ist der sogenannte 'Fall Edu'. Dabei geht es um die Veruntreuung von Hilfen für berufliche Qualifizierungsmaßnahmen. Systematisch sollen Beamte, Politiker und Unternehmer Gelder abgezweigt haben, so der Vorwurf der Ermittlungsrichterin Mercedes Alaya. Mehr als 200 Personen stehen unter Verdacht. Auch die ehemaligen andalusischen Regierungschefs Manuel Chavez und José Antonio Griñan (PSOE) gehören dazu. Die ehemalige spanische Verkehrsministerin und Vize-Präsidentin der Europäischen Investitionsbank (EIB), Magdalena Alvarez trat Ende vergangenen Jahres zurück, weil auch gegen sie ermittelt wird.

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Luis Escribano arbeitet selbst in der Verwaltung der andalusischen Regierung. Er kennt die Abläufe, die politische Einflussnahme. Und er kennt den Druck auf die eigene Arbeit bestens. Man hat ihn schon versetzt, weil er sich weigerte, Gefälligkeitsgutachten anzufertigen. Seine Arbeit wird besonders überwacht, um ihm Fehler nachzuweisen. Doch entlassen kann man ihn nicht so einfach, weil er Beamter ist. Escribano wirft der Regierung vor, in den vergangenen Jahren viele Aufgaben nur deshalb in Agenturen oder öffentliche Unternehmen ausgelagert zu haben, um sie der öffentlichen Kontrolle zu entziehen und um Mitarbeiter schneller loszuwerden. Die Rede ist von 30.000 Beschäftigten in dieser parallelen Verwaltungsstruktur.

Die Menschen in Andalusien ziehen aus der Korruption ihre eigenen Schlüsse:

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"In erster Linie sind die Politiker Schuld. Doch wir selbst haben noch mehr Schuld als die Politiker, weil wir immer die Gleichen wählen. Die Politiker stehlen und machen ihre Arbeit schlecht."

Strafe durch die Wähler?

Offen ist nur, ob diese Kritik auf eine Mehrheit zutrifft. Denn auffällig ist, dass Andalusien im Korruptionsbericht von Transparency International trotz dieser großen Fälle besser abschneidet als etwa die Hauptstadtregion Madrid. Doch dafür hat der Soziologe Xavier Coller eine Erklärung:

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Es könnte also sein, dass die Andalusier diese Art von Kriminalität mittlerweile als gegeben hinnehmen. Genau dieser Schluss könnte jedoch mit den Wahlen am Sonntag ins Wanken geraten. Andalusiens sozialistische Regierungschefin Susana Diaz hat die Wahlen um zwei Monate vorgezogen, weil sie sich mit dem kleinen Koalitionspartner Izquierda Unia (Vereinigte Linke) überworfen hat. Sie hofft offenbar, mit Neuwahlen Fakten in ihrem Sinn zu schaffen, doch die schwangere Regierungschefin könnte sich verzockt haben. Denn in Andalusien gibt es erstmals ernstzunehmende Alternativen zu den großen Parteien. Für das linke Spektrum bietet sich der Newcomer Podemos an, für die konservativen Wähler will die Partei Ciudadanos eine Alternative sein. Wie diese neuen Parteien abschneiden, interessiert ganz Spanien.